Letzte Woche war dern Landesspiegel eingeladen, am Media Lab München teilzunehmen. Im Rahmen der zweitägigen Veranstaltung hielt Professor Charlie Beckett von der London School of Economics einen Vortrag um Thema «Zukunft der Medien». Beckett, der seit 40 Jahren im Medienbereich tätig ist, betonte, dass es schon immer Aufgabe der Medien war, eine gewisse Illusion zu erzeugen. Mit zunehmender Technologie habe sich dies verstärkt, indem beispielsweise Fotos mit Photoshop bearbeitet wurden, um den Leser tiefer in die Geschichten eintauchen zu lassen. Und nun kommt KI ins Spiel, was aus seiner Sicht eine Weiterentwicklung darstellt.
Wird KI die Arbeit von Journalisten übernehmen?
Traditioneller Journalismus befindet sich schon seit langem im Rückgang. Als Beckett noch für eine Zeitung arbeitete, bestand seine Tätigkeit zu 90% aus dem Umschreiben von Agenturmeldungen und Pressemitteilungen von Politikern und Unternehmen. Dies ist etwas, das KI möglicherweise nicht sofort, aber sehr bald übernehmen kann. Für Journalisten bedeutet das, dass sie dann viel mehr Zeit haben, sich auf die 10% echte und originäre Geschichten zu konzentrieren.
Die Arbeitswelt in den Redaktionen verändert sich ständig. Früher gab es beispielsweise eine Abteilung namens «Archiv» mit zahlreichen Mitarbeitern, die Zeitungsartikel ausschnitten und ordentlich ablegten. Wenn man dann einen Artikel suchte, musste man zu einem Archivmitarbeiter gehen und dieser suchte den gewünschten Artikel heraus. Wenn viel zu tun war, musste man lange warten. Diese Tätigkeit gibt es heute nicht mehr und auch diese Mitarbeiter existieren nicht mehr. In Zukunft werden sich die Tätigkeitsfelder in Redaktionen, sei es in Print, Radio oder Fernsehen, ebenfalls verändern.
Am stärksten betroffen werden laut Beckett General Interest News sein, also kleinere Zeitungen, die über verschiedene Themen berichten. Als Beispiel nennt er kleine Dorfzeitungen in den USA. Es gibt viele kleine Städte, in denen es zwei Tageszeitungen gibt. Mit fortschreitender Technologie wird es den grossen Medienunternehmen auch viel einfacher gemacht, diese regionalen Themen abzudecken. Das erschwert das Überleben für die kleineren Zeitungen. Gleichzeitig haben Journalisten nun mehr Zeit für gründliche Recherchen und originäre Inhalte. Allerdings wären nicht alle Mitarbeiter, die derzeit in Redaktionen mit dem Umschreiben von Inhalten beschäftigt sind, auch dazu in der Lage.
Wie werden sich Medien in Zukunft finanzieren?
Im Hinblick auf die Zukunft der Medien stellt Professor Beckett auch die Frage, wie Medien zukünftig Geld verdienen werden. Beckett spricht über die verschiedenen Einnahmequellen der Medien, insbesondere von Zeitungen. Viele junge Menschen abonnieren keine Tageszeitungen mehr, und wenn die älteren Leser wegsterben, gehen die Einnahmen zurück. Zudem verschieben sich viele Werbeeinnahmen zunehmend zu Google und den sozialen Medien, was die finanzielle Situation noch schwieriger macht. Es gibt jedoch auch andere Beispiele. Bezahlschranken, sogenannte Paywalls, sind für General Interest News schwierig, da es diese Nachrichten auch anderswo gibt. Aber es gibt auch andere Beispiele wie Medienhäuser, die mit Substack bezahlte Newsletter oder andere Inhalte gewinnbringend einsetzen.
Beckett erwähnt positive Beispiele. So gibt es Medienhäuser, die erfolgreich Bezahlmodelle wie Substack nutzen, um kostenpflichtige Newsletter oder andere Inhalte anzubieten. Diese Modelle haben sich als profitabel erwiesen und ermöglichen es den Medien, direkte Einnahmen von ihren Lesern zu generieren.
Darüber hinaus werden neue Möglichkeiten der Finanzierung erforscht, wie beispielsweise Partnerschaften mit Unternehmen, Spenden von Lesern oder die Etablierung von Mitgliedschaftsmodellen. Medienunternehmen müssen kreativ sein und verschiedene Ansätze kombinieren, um ihre finanzielle Nachhaltigkeit in der sich wandelnden Medienlandschaft zu gewährleisten.
Abschliessend betont Professor Beckett, dass trotz der Herausforderungen und Veränderungen, die mit der digitalen Transformation einhergehen, der Journalismus eine unverzichtbare Rolle in der Gesellschaft spielt. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass qualitativ hochwertige, unabhängige Berichterstattung weiterhin gefördert und unterstützt wird, um eine informierte Öffentlichkeit und eine funktionierende Demokratie aufrechtzuerhalten.
Zur Person
Professor Charlie Beckett ist der Gründungsdirektor von Polis, dem Think-Tank für Forschung und Debatten rund um internationalen Journalismus und Gesellschaft am Institut für Medien und Kommunikation der London School of Economics (LSE). Polis veranstaltet Veranstaltungen für Journalisten und die Öffentlichkeit sowie ein Programm für Stipendiaten und Forschungstätigkeiten. Es bietet eine Sommerakademie, organisiert Konferenzen und veröffentlicht Berichte. Charlie leitet das Polis JournalismAI-Projekt und war leitender Kommissar für die LSE Truth, Trust & Technology Commission (T3). Neben seiner Rolle als Sprecher für Polis, das Media Policy Project und T3 ist Charlie Beckett ein regelmäßiger Blogger und Kommentator zu Themen des Journalismus und der Politik für britische und internationale Medien.