Der zweite Verhandlungstag im Mordprozess um das Tötungsdelikt von Gamprin-Bendern brachte am Kriminalgericht neue Zeugenaussagen und die mit Schlussplädoyers. Der Staatsanwalt forderte hohe Haftstrafen für die drei Angeklagten und sprach von einem „erschreckenden“ Verbrechen. Die Verteidiger hingegen kritisierten die Beweislage als unzureichend und forderten Freisprüche.
Zeugen belasten Angeklagte, doch Zweifel bleiben
Am Vormittag wurden mehrere Zeugen gehört. Ein Spaziergänger aus Gamprin gab an, am Tattag einen Audi A6 mit österreichischem Wunschkennzeichen bei der Betonbrücke gesehen zu haben. Er habe eine Person hektisch aus dem Wald kommend in das Fahrzeug steigen sehen. Bei einer späteren polizeilichen Gegenüberstellung identifizierte er den Erstangeklagten, betonte jedoch seine Unsicherheit. Eine weitere Zeugin bestätigte ebenfalls, das Fahrzeug in Tatortnähe gesehen zu haben. Bereits einen Tag vorher sei ihr das Fahrzeug in Ruggell aufgefallen. Dort es hätte sie beinahe überfahren. Am Tattag sagt sei, habe sie beobachtet, wie eine dunkel gekleidete Person mit unpassendem Schuhwerk ausstieg und in Richtung Rheindamm ging. Normalerweise würden dort nur Menschen mit Hunden spazieren, darum sei ihr das komisch vorgekommen.
Die Nachbarin des Erstangeklagten, eine Rumänin, beschrieb ihre Freundschaft mit ihm und bestätigte, dass er ihr zwei Messer aus Rumänien mitgebracht habe. Sie sei überrascht gewesen, dass die drei Angeklagten schon am Samstag nach der Tat zurückreisten, obwohl sie ursprünglich bis Montag in Liechtenstein bleiben wollten. Ein weiterer Zeuge, ein langjähriger Freund des Opfers, schilderte die schwierige Beziehung zwischen dem Erstangeklagten und dem Opfer. Er berichtete, das Opfer habe Angst vor dem Erstangeklagten gehabt und sei nach der Trennung «wieder zu sich selbst gefunden» habe.
Drittangeklagter muss sich zusätzlich wegen versuchter Anstiftung zum Mord verantworten
Ein zusätzliche Anklagepunkt richtete sich ausschliesslich gegen den Drittangeklagten. Nach den Aussagen eines Gefängniswärters reagierte der Beschuldigte nach einer richterlichen Haftprüfung aggressiv und griff den Beamten verbal an. Der Angeklagte soll zwei Mitgefangenen daraufhin eine Summe von 150.000 Euro für dessen Tötung angeboten habe. Der Beamte gab zu Protokoll, dass ihn diese Information erheblich psychisch belastet habe.
Als Beweismittel dienten Videoaufzeichnungen aus dem Gefängnishof. Obgleich die Aufnahmen keine Tonspuren enthielten, dokumentierten sie mehrere Unterhaltungen zwischen dem Angeklagten und den beiden betreffenden Mitgefangenen.
Zeugenvernehmungen
Die beiden als Zeugen geladenen Mitgefangenen bestätigten übereinstimmend die Vorwürfe. Der erste Zeuge bekundete, der Angeklagte habe den Wunsch geäussert, eine Person «umbringen zu lassen» und dafür eine finanzielle Entschädigung angeboten. Er habe sich in das Gespräch eingebracht, da er das Vorhaben für verwerflich hielt. In Abstimmung mit dem zweiten Häftling entschied er, die Angelegenheit den Strafverfolgungsbehörden zu melden.
Beiden Zeugenaussagen zufolge gab der Angeklagte erst sukzessive preis, dass es sich bei dem Opfer um einen Gefängniswärter handele, dessen Namen er konkret benannte. Der zweite Mitgefangene bestätigte die Hartnäckigkeit des Angeklagten, der das Angebot mehrfach wiederholte. Angesichts der dem Angeklagten selbst zur Last gelegten Mordanklage habe er dessen Absichten für durchaus ernst zu nehmend erachtet. Darum hätten sie den Vorfall schliesslich der Landespolizeig gemeldet.
Anklage sieht Täter überführt, Verteidigung spricht von Indizienprozess
Nach der Beweisaufnahme folgten die Schlussplädoyers. Der Staatsanwalt betonte, die Beweiskette sei erdrückend. Er bezeichnete den Erstangeklagten als «spiritus rector», angetrieben von «niederträchtiger Profitgier». Die Heimtücke des Verbrechens sei «erschreckend» und in Liechtenstein in dieser Form in Liechtenstein nicht bekannt. Als Beweise nannte er das Tatmotiv des finanziellen Abstiegs, die Observation des Opfers, die Fährte des Spürhundes, der die Angeklagten bis zum Parkplatz verfolgte, und die widersprüchlichen Aussagen der Angeklagten.
Die Verteidiger konterten. Der Anwalt des Erstangeklagten bezeichnete die Beweisführung als reinen Indizienprozess, bei dem es keinen einzigen unumstösslichen Beweis gebe. Er zog einen Vergleich zu Russland, und meinte «Liechtenstein ist besser.» Die unkoordinierten Aussagen der Angeklagten seien sogar ein Zeichen ihrer Unschuld, da sie sich bei einer abgesprochenen Tat besser hätten vorbereiten können.
Die Verteidigerin des Zweitangeklagten betonte, die Annahmen der Staatsanwaltschaft seien nicht mit den tatsächlichen Zeitabläufen am Tattag vereinbar. Er habe das Opfer nicht gekannt und nicht verfolgt. Der Verteidiger des Drittangeklagten monierte, die Zeugenaussagen zu den Kennzeichen seien widersprüchlich und die Angeklagten hätten sich zur Tatzeit nicht am Tatort befunden haben können. Alle drei Verteidiger beantragten für ihren Mandanten einen Freispruch.
Das Urteil: Schuldsprüche und lange Haftstrafen
Erstangeklagter zu 16 Jahren Haft verurteilt
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass sich der Erstangeklagte zum Tatzeitpunkt am Tatort befand. Nach Ansicht des Senats konnte der Angeklagte keine schlüssige Erklärung für seine Anwesenheit am Rheindamm vorlegen. Entscheidend für die Überzeugungsbildung des Gerichts waren die Ergebnisse des Spurensuchhundes (Mantrailer), welche die Präsenz des Erstangeklagten mit «an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit» belegten. Das Gericht unterstrich dabei, dass der speziell ausgebildete Hund zwar einen Fehler machen könne und eine Fährte nicht finden, aber keine Fährten erfinden.
Als besonders strafverschärfend bewertete das Gericht das niedere Tatmotiv der Habgier. Der Angeklagte habe den Mord begangen, um sich unrechtmässige Erbschaftsansprüche zu sichern. Diese Form der Gewaltanwendung stelle für das Fürstentum Liechtenstein einen aussergewöhnlichen Fall dar, der eine entsprechend empfindliche Sanktion rechtfertige. Das Gericht verhängte eine Freiheitsstrafe von 16 Jahren.
Zweitangeklagter erhält elf Jahre Haft
Die Beweislage gegen den Zweitangeklagten ist «weniger eindeutig» erklärte der Vorsitzende. Dennoch gelangte das Kriminalgericht zur Überzeugung, dass er in den Tatplan involviert war. Darum wurde er als Beitragstäter verurteilt. Es sei erstellt, dass der Angeklagte über den Zweck der Fahrten informiert war und diese Ziele kannte. Seine Mitwirkung an der Tat bewertete das Gericht als weniger erheblich, weshalb eine Freiheitsstrafe von elf Jahren angemessen sei.
Drittangeklagter zu 14 Jahren Haft verurteilt
Der Drittangeklagte leistete nach Feststellung des Gerichts einen geringeren, aber dennoch wesentlichen Tatbeitrag, indem er das Fahrzeug zur Verfügung stellte und als Beifahrer an der Verfolgung des Opfers teilnahm. Die von der Verteidigung vorgebrachte Behauptung, ihr Mandant sei unwissend in die Geschehnisse verwickelt worden, wies das Gericht als unglaubwürdig zurück. Es sei davon überzeugt, dass der Angeklagte über die kriminellen Absichten der Unternehmungen informiert war.
Zusätzlich zur ursprünglichen Anklage lastete das Gericht dem Drittangeklagten einen versuchten Auftragsmord an einem Gefängniswärter während seiner Untersuchungshaft an. Das Gericht bewertete diesen Versuch nicht als «absolut untauglich», da der Angeklagte das entsprechende Angebot in mehreren Gesprächen unterbreitete und mit erheblicher Hartnäckigkeit verfolgte. Die verhängte Freiheitsstrafe von 14 Jahren berücksichtige die aussergewöhnliche Schwere beider Straftaten, wie die Richter in ihrer Urteilsbegründung ausführten.
Verteidigung meldet Berufung an
Die Verteidigung des Zweit- und Drittangeklagten meldeten umgehend volle Berufung an. Der Verteidiger des Erstangeklagten und die Staatsanwaltschaft gaben kein Rechtsmittelerklären ab. Das Urteil ist somit nicht rechtskräftig. Es gilt die Unschuldsvermutung.
