Startseite InlandGericht Notwehr oder nicht – Nachbarschaftsstreit in Balzers eskalierte

Notwehr oder nicht – Nachbarschaftsstreit in Balzers eskalierte

Landgericht
Eiskönigin

Ein eskalierender Nachbarschaftsstreit und seine Folgen wurden heute vor dem Fürstlichen Landgericht juristisch aufgearbeitet. Der Angeklagte wurde beschuldigt, seinen Nachbarn ins Gesicht geschlagen und verletzt zu haben, nachdem Wasser von seinem Balkon das Grundstück des Nachbarn getropft war. Die Staatsanwaltschaft legte ihm daher eine Körperverletzung zu Last.

Gleich zu Beginn der Verhandlung forderte der Verteidiger eine Diversion, um das Verfahren ohne Urteil zu beenden. Er argumentierte, dass die Staatsanwaltschaft dies bereits früher hätte anbieten müssen, da der Angeklagte von Anfang an die Tat eingeräumt hatte. Die Staatsanwaltschaft entgegnete, dass eine diversionelle Erledigung nicht möglich sei, da der Angeklagte eine Notwehrsituation in den Raum stelle. In diesem Fall müsse die Frage der Notwehr vom Gericht geklärt werden.

«Der Sachverhalt ist für mich nicht hinreichend geklärt, da kann ich keine Diversion anbieten.»

Der Staatsanwalt

In seiner Einvernahme behauptete der Angeklagte, dass der Nachbar nicht ihn, sondern seine Frau habe treffen wollen. Dies widersprach jedoch seinen früheren Aussagen bei der Polizei. Zu seiner Verantwortung bekenne er sich und er bot dem Opfer ein Teilschmerzengeld von CHF 200.- an. Daraufhin forderte der Verteidiger erneut vehement eine diversionelle Erledigung. Der Richter erklärte jedoch ausführlich, dass dies derzeit nicht möglich sei, solange die Frage der Notwehr im Raum stehe. Ausserdem könne ein Diversionsantrag erst nach Ende des Beweisverfahrens gestellt werden. Der Verteidiger war darüber sichtlich nicht erfreut.

Beweisaufnahme

Es wurde dann das Opfer einvernommen. Er gab an, dass er im Garten stand und der Angeklagte die Treppe heruntergekommen sei. Wo genau die Frau des Angeklagten stand, versuchte der Landrichter mit Hilfe einer Strichzeichnung zu eruieren. Die Angaben blieben aber etwas unklar.

«Ich hatte 3 Wochen schmerzen»

Das Opfer

Der geschlagene Nachbar, der durch den Schlag ein Hämatom am Jochbein erlitt und dessen Zahnprothese bei dem Vorfall angeblich beschädigt wurde, schloss sich als Privatbeteiligter dem Strafverfahren an. Um in diesem Verfahren bereits etwas zugesprochen zu bekommen, muss er seine Forderung konkret beziffern, was sich in diesem Fall als schwierig erwies. Der Landrichter versuchte anhand der Schmerzperioden dazu anzuleiten. Das gefiel dem Verteidiger überhaupt nicht.

«Das übersteigt die richterliche Anleitungspflicht»

Der Verteidiger

Kurz überlegte er sogar laut, einen Befangenheitsantrag zu stellen. Lies aber dann doch davon ab. Er bestand aber darauf, dass Forderungen von Privatbeteiligten beziffert werden müssen und es nicht Aufgabe des Gerichts sei, ihre Höhe zu ermitteln.

Nun legte der Privatbeteiligte eine Rechnung der Zahnärztin vor. Der Verteidiger versuchte zu erreichen, dass dies nicht verwertet werden dürfe, da die Beschädigung des Implantats aus seiner Sicht nicht durch den Schlag auf da Jochbein verursacht werden konnte und somit in keinem Zusammenhang stehen würde.

Schliesslich gelang es dem dem Privatbeteiligten doch noch einen Betrag zu nennen, den er für die drei Wochen Schmerzen als Schmerzengeld fordert. Er wies auch darauf hin, dass sein Auge immer noch blau unterlaufen sei.

«Ich möchte 3’000 Franken Schmerzengeld.»

DAs Opfer

Diversion oder nicht?

Nach der Zeugeneinvernahme ging die Diskussion über die diversionelle Erledigung weiter. Für den Richter und den Staatsanwalt stand nach wie vor eine mögliche Notwehr im Raum, sodass auch ein Freispruch in Betracht kommen könne. Der Verteidiger zitierte dann Literatur, die ihm der Richter vorab zugesagt hatte, wonach es ausreichen würde, wenn eine Verurteilung «sehr wahrscheinlich ist». Der Landrichter erläuterte jedoch, dass die Hürden für die Diversion bei Gericht höher sind, als für die Staatsanwaltschaft.

Nach intensiven Beratungen mit seinem Anwalt entschied sich der Angeklagte schliesslich, seine Position zu revidieren und erklärte, dass er die Situation wohl falsch eingeschätzt habe und keine Notwehr vorgelegen habe.

Infolgedessen konnte der Richter das Verfahren mit einer Diversion abschliessen. Der Angeklagte stimmte zu, ein Teilschmerzensgeld in Höhe von CHF 200.- an das Opfer zu zahlen, sowie die Gerichtsgebühren von CHF 350 und einen Geldbetrag von CHF 800.-. Mit dieser Zahlung wurde das Verfahren mit einer Diversion beendet.

Was ist eine Diversion?

In einem Strafverfahren kann die Staatsanwaltschaft oder das Gericht das Verfahren ohne Urteil beenden. Voraussetzung dafür ist, dass der Sachverhalt hinreichend geklärt ist, noch keine Diversion verhängt wurde und diese ausreicht, den Angeklagten von weiteren Straftaten abzuhalten. In der Regel ist sie mit Auflagen verbunden, z.B. der Zahlung eines Geldbetrags. Dies ist aber keine Strafe, da die Schuld des Angeklagten bei der Diversion eben nicht gerichtlich festgestellt wird.

In der Regel wird die Diversion von der Staatsanwaltschaft angeboten, bevor es zu einer Anklage oder einem Bestrafungsantrag kommt. Möglich ist sie aber auch noch in der Schlussverhandlung.

Für einen Angeklagten hat dieser Ausgang den Vorteil, dass er weiterhin als unbescholten gilt. Die Gerichtsgebühren sind in der Regel auch niedriger als bei einem Urteil. Dafür scheidet eine Bewährung aus, weshalb die Diversion manchmal soger «teurer» sein kann, als eine Verurteilung.

Die Diversion stellt oft eine effektive Möglichkeit dar, Konflikte ohne langwierige Gerichtsverfahren zu beenden und den Beteiligten die Gelegenheit zu geben, ihre Differenzen ausserhalb des Gerichtssaals zu klären.

Eiskönigin

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