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Geschäftsordnung des Landtags verfassungswidrig – Hintergründe des StGH-Urteils

Gerichtssaal
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Die stellvertretende Abgeordnete Nadine Gstöhl war mit ihrer Individualbeschwerde vor dem Staatsgerichtshof (StGH) erfolgreich. In dem heute veröffentlichten Urteil hat der StGH ausgesprochen, dass Artikel 23 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Landtags, welcher besagt, dass im Verhinderungsfall eines ordentlichen Mitglieds die Wählergruppe eigenständig einen Stellvertreter benennen kann, verfassungswidrig und im Widerspruch zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) steht.

Die Hintergrundgeschichte dieser Entscheidung reicht zurück bis zur Landtagswahl vom 7. Februar 2021, als Nadine Gstöhl mit 14,7% der Stimmen als stellvertretende Abgeordnete der Wählerliste «Freie Liste» gewählt wurde. Nach ihrem Austritt aus der Partei am 27. August 2021 wurde sie als Stellvertretung für eine Landtagssitzung ausgeschlossen. Der Konflikt eskalierte, und die Geschäftsordnung des Landtags wurde im Dezember 2022 geändert, was nun vom Staatsgerichtshof rückgängig gemacht wurde.

Aus der Urteilsbegründung

Verletzung demokratischer Prinzipien

Die zentrale Argumentation des StGH basiert auf dem Grundsatz, dass die Zusammensetzung des Landtags ausschließlich durch den demokratischen Willen der Wählerschaft bestimmt werden sollte. Die Möglichkeit, dass die Wählergruppe im Verhinderungsfall eines Abgeordneten eigenständig einen Stellvertreter bestimmen kann, könnte zu unvorhersehbaren politischen Verschiebungen führen, die nicht dem demokratischen Wahlwillen entsprechen.

Ungleichbehandlung von Abgeordneten und Stellvertretern

Der StGH argumentiert weiter, dass die Geschäftsordnung eine Ungleichbehandlung zwischen ordentlichen Abgeordneten und ihren Stellvertretern schafft. Während ordentliche Abgeordnete unabhängig von Parteiaustritten oder -wechseln ihre Position beibehalten dürfen, könnte dies bei Stellvertretern durch das Ermessen der Wählergruppe beeinflusst werden. Dies verletzt das passive Wahlrecht der stellvertretenden Abgeordneten.

Wahrung der Stabilität des Landtags

Ein weiterer Schwerpunkt des Urteils liegt auf der Wahrung der Stabilität des Landtags. Der Landtag in Liechtenstein ist im Vergleich zu anderen Parlamenten sehr klein, und die Stellvertreterregelung dient dazu, die Funktionsfähigkeit und Stabilität der Institution sicherzustellen. Die Teilnahmepflicht der Abgeordneten, auch im Verhinderungsfall, trägt dazu bei. Das passive Wahlrecht der stellvertretenden Abgeordneten soll diesen Prinzipien nicht geopfert werden.

Historischer Kontext

Der StGH analysiert den historischen Kontext der Stellvertreterregelung und weist darauf hin, dass die Möglichkeit, stellvertretende Abgeordnete bei «wichtigen Gründen» abzuberufen, 1997 aufgehoben wurde. Die Geschäftsordnungsänderung von 2022, die nun rückgängig gemacht wurde, änderte den Wortlaut von «hat» zu «kann» und von «Fraktion» zu «Wählergruppe», was zu einer Unsicherheit führte, ob und wie die Wählergruppen ihre Stellvertreter benennen können.

Insgesamt betont das Urteil des StGH die Bedeutung demokratischer Grundprinzipien und setzt ein klares Zeichen für die Gleichbehandlung von Abgeordneten und ihren Stellvertretern sowie die Stabilität des Landtags in Liechtenstein.

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