Die jüngste Ausgabe des Volkswirtschaftsmonitors der FMA wurde gestern veröffentlicht. In ihrer Funktion als Aufsichtsbehörde wirft die FMA auch regelmässig einen Blick auf die Entwicklung der globalen Wirtschaft, insbesondere der Finanzmärkte. Obwohl Liechtenstein die globale Konjunktur die Zinserhöhungen besser verkraftet als erwartet, zeigt der Industriesektor deutliche Anzeichen einer Abkühlung. Die aktuelle Ausgabe des Berichts für das zweite Quartal 2023 wurde gestern veröffentlicht.
Die Vereinigten Staaten verzeichneten im ersten Quartal 2023 einen Rückgang des BIP-Wachstums um 0,3% im Vergleich zum Vorquartal. Im Euroraum wurde bereits zum zweiten Mal in Folge ein leicht negatives Wachstum von -0,1% verzeichnet. Obwohl die Schweiz nach einer Stagnation zum Jahresende 2022 wieder eine positive Wachstumsrate aufwies, blieb das Wachstum mit 0,3% gedämpft. Insgesamt hat sich die globale Wirtschaft im letzten Jahr aufgrund der höheren Zinsen merklich abgeschwächt, jedoch nicht so stark wie befürchtet.
In Liechtenstein deuten verfügbare Konjunkturindikatoren weiterhin auf ein unterdurchschnittliches Wachstum hin. Der Konjunkturindikator «KonSens», der quartalsweise vom Liechtenstein-Institut veröffentlicht wird, signalisiert eine schwache bzw. unterdurchschnittliche Konjunkturentwicklung. Obwohl die Direktexporte in den ersten Monaten des Jahres leicht über dem Vergleichszeitraum des Vorjahres lagen, deuten sie ebenfalls auf eine verhaltene konjunkturelle Entwicklung hin.
Die Schwäche der Industrie zeigt sich auch am Rückgang des globalen Güterhandels. Sowohl entwickelte Volkswirtschaften als auch Schwellenländer trugen zu diesem Rückgang bei. Obwohl sich die Situation zuletzt etwas verbessert hat, weisen die jüngsten verfügbaren Daten immer noch auf einen Rückgang der globalen Handelsströme hin. Bisher zeigt sich die konjunkturelle Abkühlung jedoch noch nicht auf den Arbeitsmärkten.
Hinsichtlich der Inflation sind die Raten in den letzten Monaten deutlich zurückgegangen, doch der Inflationsdruck bleibt weiterhin hoch. Die jährliche Veränderung der Konsumentenpreise sank im Mai in den USA deutlich auf 4,0%, während sie im Euroraum (6,1%) und in der Schweiz (2,2%) ebenfalls abnahm und mittlerweile deutlich unter den Höchstständen der letzten Monate liegt.
Der inländische Inflationsdruck hat sich verstärkt, während die Energiepreise kaum noch zur Inflation beitragen. Die Zusammensetzung der Inflation hat sich in den letzten Monaten deutlich verändert. Dienstleistungen und andere durch inländische Preisentwicklungen geprägte Komponenten tragen nun massgeblich zur hohen Inflation bei. Dies erschwert den Notenbanken die Bekämpfung der Inflation in den kommenden Monaten, da sich die Haupttreiber der Preissteigerungen verlagert haben.
Die wichtigsten Zentralbanken haben ihre Leitzinsen erneut angehoben oder weitere Straffungen der Geldpolitik in Aussicht gestellt. Die US-Notenbank (Fed) beliess ihren Leitzins im Juni in der Bandbreite von 5-5,25%, rechnet jedoch in den veröffentlichten…
Aktuellen Markterwartungen zufolge könnte es schwierig sein, die Inflation unter Kontrolle zu bringen, ohne eine Rezession zu riskieren. Die hartnäckig hohe Kerninflation in den wichtigsten Volkswirtschaften könnte eine stärkere geldpolitische Straffung erfordern als bisher angenommen, was wiederum mit einer weiteren Abkühlung der Konjunktur einhergehen könnte. Je länger die hohe Inflation anhält, desto schwieriger wird es für die Notenbanken, ihre Preisstabilitätsziele zu erreichen. Es stellt für sie eine grosse Herausforderung dar, die Geldpolitik so auszurichten, dass das Ziel der Preisstabilität wieder erreicht wird, gleichzeitig jedoch möglichst geringe Schäden in der Realwirtschaft verursacht werden.
Diese hohe Unsicherheit geht mit einem erhöhten Risiko von Kurskorrekturen an den Finanzmärkten einher, insbesondere aufgrund der hohen sektoralen und geografischen Heterogenität, die sich hinter der Erholung der letzten Monate verbirgt. Die steigenden Zinsen stellen sowohl für Unternehmen und Haushalte als auch für hoch verschuldete Staaten eine Belastungsprobe dar. Höhere Zinsen und die anhaltende Inflation beeinträchtigen die Kaufkraft der privaten Haushalte.
Obwohl der Bankensektor bisher von den steigenden Zinsmargen profitiert hat, stehen ihm dennoch Herausforderungen bevor. Der rasche Anstieg der Zinsen und die unvollständige Weitergabe an die Einleger haben zu einer Erhöhung der Zinsmarge für die Banken und einer Verbesserung der Rentabilität geführt. Liechtenstein profitiert von der niedrigeren Inflation im Schweizer Franken Währungsraum, kann sich jedoch den steigenden globalen Risiken nicht völlig entziehen. Die rechtzeitige und entschiedene Intervention der Schweizerischen Nationalbank (SNB) und die fortgesetzte nominelle Aufwertung des Schweizer Franken haben sowohl die Schweiz als auch Liechtenstein im internationalen Vergleich zu einer Insel mit niedriger Inflation gemacht. Dadurch sind die Finanzstabilitätsrisiken in Liechtenstein aufgrund des weniger starken Zinsanstiegs geringer als in anderen Ländern.
Dennoch steht Liechtenstein vor steigenden Herausforderungen. Die höheren Zinsen stellen insbesondere für den hoch verschuldeten privaten Haushaltssektor eine Belastungsprobe dar. Angesichts dessen ist es von entscheidender Bedeutung, die identifizierten Risiken im Immobilien- und Hypothekarbereich mit geeigneten Instrumenten anzugehen.