Die Wirtschaft steht an einem Wendepunkt. Während die einen auf den Durchbruch bei Künstlicher Intelligenz hoffen, warnen andere vor überzogenen Erwartungen. Beim Wirtschaftsausblick 2025 der Stiftung Zukunft.li trafen gegensätzliche Sichtweisen aufeinander. Ökonomieprofessor Mathias Binswanger hinterfragt den Hype um KI. Andreas Brunhart, Forschungsleiter am Liechtenstein-Institut, nimmt die konjunkturelle Lage des Landes unter die Lupe. Gemeinsam zeichnen sie ein Bild von Chancen, Risiken und Unsicherheiten, die Liechtensteins Wirtschaft in den nächsten Jahren begleiten.
Künstliche Intelligenz: Hoffnungsträger oder Luftschloss für Liechtensteins Wirtschaft?
Die Erwartungen an Künstliche Intelligenz bleiben hoch. Viele sehen darin den Schlüssel für mehr Wohlstand und höhere Produktivität – auch in Liechtenstein. Doch ein genauer Blick zeigt: Die grosse Revolution bleibt bislang aus. Das zeigt der aktuelle «Wirtschaftsausblick 2025» der Stiftung Zukunft.li.
Professor Mathias Binswanger von der Hochschule für Wirtschaft in Olten bringt es auf den Punkt: „KI wird als tiefgreifendste Innovation und eine der grössten Investitionsmöglichkeiten in der Geschichte der Menschheit gehandelt.“ Doch der Produktivitätsschub, den viele erhoffen, lässt auf sich warten.
Viel Lärm um wenig Fortschritt?
Binswanger erinnert an vergangene Hypes: „Vor einigen Jahren sprach jeder von Blockchain, jetzt reden alle von KI.“ Tatsächlich begegnet uns künstliche Intelligenz überall. Sie steuert Autos, analysiert Daten, schreibt Texte und kennt unsere Einkaufswünsche, bevor wir sie überhaupt haben. Trotzdem: Die Statistik zeichnet ein anderes Bild. Die Arbeitsproduktivität stagniert seit Jahren. Trotz aller Technik strecken wir die Arbeitszeit, um wirtschaftlich zu wachsen. Der wirkliche Quantensprung bleibt aus.
Ein Grund ist, dass technische Veränderungen Geduld brauchen. Neue Technologien entfalten ihre Wirkung meist erst nach einiger Zeit, denn Unternehmen müssen sie zunächst in die Arbeitsabläufe integrieren, Arbeitskräfte weiterbilden und Prozesse anpassen.
Viel Potenzial, viel Unsicherheit
Vor allem die KI wirkt wie eine Black Box. Sie entscheidet auf Basis riesiger Datenmengen, zieht Schlüsse, optimiert Prozesse. Doch kaum jemand durchblickt diese digitalen Entscheidungsprozesse. Wer profitiert eigentlich von diesen Entwicklungen? Sind es die grossen Techkonzerne wie Google, Apple, Amazon oder Microsoft? Oder hat auch der Mittelstand aus Liechtenstein davon etwas?
Beispiel Finanzbranche: Automatisierte Analysen liefern in Millisekunden Empfehlungen. Doch wenn alle Banken dieselben Algorithmen nutzen, verschwindet der Vorsprung. Am Ende bleibt nur mehr Komplexität, weniger echter Gewinn.
Konjunkturausblick: Liechtensteins Wirtschaft schwankt stark

Andreas Brunhart, Forschungsleiter am Liechtenstein-Institut, ordnet ein: „Die Amplituden sind bei uns viel grösser als anderswo.“ Kleinere Staaten wie Liechtenstein trifft jeder externe Schock heftiger. Das Bruttoinlandsprodukt schwankt, die Finanz- und Investitionsgüterbranche bewegt sich kräftig nach oben und unten.
Trotzdem bleibt der Arbeitsmarkt robust. Die Arbeitslosigkeit ist gering, der Mangel an Fachkräften hoch. Die Inflation hat sich wieder beruhigt – zumindest im Vergleich zum internationalen Umfeld. Die Auswertungen zeigen: Liechtenstein verdankt sein Wachstum vor allem steigender Beschäftigung, weniger echter Produktivitätssteigerung. Umso wichtiger wäre es, neue Potenziale zu nutzen. Doch von einer KI-getriebenen Wirtschaft ist das Land noch weit entfernt. Skepsis ist angebracht, denn bislang bleiben echte Produktivitätssprünge aus.
Was bringt die Zukunft?
Prognosen bleiben schwierig. Geopolitische Unsicherheiten wirken sich schnell auf das kleine Land aus. Doch ein Hoffnungsschimmer bleibt: Wachstumsimpulse aus dem Ausland, etwa durch staatliche Investitionen in Deutschland oder der Schweiz, erreichen Liechtenstein rasch. Ein Plus von nur 0,5 Prozent bei den Handelspartnern kann hierzulande das Wachstum um 1,4 Prozentpunkte anheben.
KI bleibt ein Versprechen mit offenem Ausgang
Der «Wirtschaftsausblick 2025» zieht ein nüchternes Fazit: KI bietet Chancen, aber auch viele offene Fragen. Sie kann Prozesse beschleunigen und Muster erkennen, die Menschen verborgen bleiben. Aber das grosse Produktivitätswunder haben wir noch nicht erlebt. Für Liechtenstein gilt: Chancen sehen, aber mit kühlem Kopf handeln. Denn technologische Euphorie ersetzt keine solide Wirtschaftspolitik.