Nach seiner Rede vor der UN-Generalversammlung trat Präsident Luiz Inácio Lula da Silva vor die Presse. Dort sprach er weniger formal, aber mit klaren Botschaften. Über eine Stunde nahm sich der Präsident für die zahlreichen Journalisten aus der ganzen Welt Zeit und beantwortete ausführlich Fragen. Dabei war die Pressekonferenz kein diplomatisch glattgeschliffener Auftritt, sondern ein Auftritt voller Emotion, Widersprüche – und eindringlicher Warnungen.
Immer wieder nutzte Lula die Formel „não é normal“. Nicht normal sei es, dass Staaten Billionen für Rüstung ausgeben, während 700 Millionen Menschen hungern. Nicht normal, dass Nahrungsmittel im Überfluss vorhanden sind, aber Milliarden keinen Zugang haben. Lula erinnerte daran, dass Brasilien selbst 2012 den Hunger überwunden hatte – und 2013, nach seiner Amtszeit, Millionen Menschen wieder in Armut stürzten. Für ihn ein Beweis, dass Hunger kein Schicksal ist, sondern politisches Versagen.
Beim Klimathema legte er dieselbe Dringlichkeit an den Tag. Die COP30 in Belém müsse eine „Konferenz der Wahrheit“ werden. Es könne nicht länger bei Gipfeln bleiben, die viele Versprechen, aber wenige Ergebnisse produzieren. Lula forderte, dass Staats- und Regierungschefs diesmal den Wissenschaftlern zuhören – und endlich handeln. Seine Botschaft: Der Amazonas ist nicht Kulisse, sondern Prüfstein globaler Glaubwürdigkeit.
Auch die geopolitische Ordnung stellte er infrage. Das Vetorecht im UN-Sicherheitsrat nannte er ein Hindernis für Lösungen. Wenn ein Land internationale Vereinbarungen blockiere, müsse es Konsequenzen geben. Lula sprach das aus, was viele denken, aber selten jemand so unverblümt formuliert: Die UNO spiegelt das Jahr 1945, nicht 2025.
Besonders bemerkenswert war sein Ton in Richtung Washington. Lula sprach von „boa química“ nach seinem Treffen mit Donald Trump und zeigte sich bemüht, Differenzen auszuräumen. Brasilien, betonte er, sei stabile Demokratie und Partner, nicht Objekt fremder Belehrung. Es ging ihm hörbar darum, Brasilien auf Augenhöhe mit den USA zu positionieren.
Zum Nahostkonflikt fand er deutliche, zugleich unbequeme Worte: Verurteilung der Hamas, aber auch Kritik an Israels militärischer Antwort. Lula plädierte für die Zwei-Staaten-Lösung – und verlangte ein entschlossenes Vorgehen des UN-Sicherheitsrats. Auch hier sein Grundmotiv: Frieden ist nicht Luxus, sondern Notwendigkeit.
Lulas Pressekonferenz war alles andere als makellos. Er sprang zwischen Themen, wiederholte sich, sprach manchmal mehr aus dem Bauch als vom Manuskript. Doch gerade das machte den Auftritt bemerkenswert. Er vermittelte das Bild eines Politikers, der weniger an Protokoll als an Wirkung interessiert ist – und der die Bühne der Vereinten Nationen nutzt, um moralischen Druck aufzubauen.
Ob seine Appelle in konkrete Politik münden, bleibt offen. Doch eines hat Lula gezeigt: Er will nicht nur Redner unter vielen sein, sondern Anwalt für jene, die sonst kaum eine Stimme haben – die Hungernden, die Ausgeschlossenen, die Opfer von Kriegen und Klimawandel.