Die USA belegen die Schweiz mit 39 Prozent Zöllen, Liechtenstein mit „nur“ 15 Prozent. S.D. Prinz Michael von und zu Liechtenstein erklärt im Interview die Hintergründe und spricht über Chancen in einer grundlegend veränderten Weltordnung.
Die hohen US-Zölle gegen die Schweiz kommen nicht überraschend. Prinz Michael sieht die neuen US-Zölle auf Importe aus zahlreichen Ländern nicht als reines Machtspiel, sondern als Teil einer grundsätzlichen Neuausrichtung der amerikanischen Handelspolitik. Weil die Industrie aus den USA ausgelagert wurde, wollte der US-Präsident eine Reindustrialisierung. Diese möchte Trump erreichen, indem er Importe teurer macht. Ebenfalls möchte er Einnahmen aus Zöllen erzielen.
Auf die Frage, ob Trumps Politik mit Blick auf Investitionen wie jene von Apple – 100 Milliarden Dollar für Halbleiterproduktion in den USA – funktioniere, antwortet Prinz Michael: „Ich glaube, es funktioniert. Wie gut und wie langfristig es funktioniert, weiss man nicht.“ Er sieht die Reindustrialisierung zweigeteilt: Ökonomisch schaffe sie kurzfristig Arbeitsplätze, aber internationale Arbeitsteilung bringe deutlich mehr Vorteile. Sicherheitspolitisch jedoch ist eine Grundversorgung strategisch wichtiger Güter notwendig.
Prinz Michael sieht das Ende der alten regelbasierten Weltordnung gekommen. «Präsident Trump will das System in Richtung einer neuen Ordnung aufstellen«, erklärt der Gründer des in Liechtenstein ansässigen Think Tanks Geopolitical Intelligence Services AG. «Die alte Ordnung erodiert seit Langem und Präsident Trump justiert die Position der USA in einer Weise, die von vielen als Brachialgewalt angesehen wird.«
Die Schweiz hatte Handelsüberschüsse mit den USA. Zwei Faktoren verstärkten diese: die effiziente Schweizer Wirtschaft und ein kurzfristiger, starker Anstieg im Goldtransfer. Goldreserven wurden von London nach New York verlagert. Das Gold musste in der Schweiz umgeschmolzen werden, weil im Vereinigten Königreich Gold in Unzen gehandelt wird und in New York das metrische System verwendet wird.
Schweiz kämpft mit doppelter Belastung
Die Schweizer Wirtschaft steht vor enormen Herausforderungen. Die USA sind das grösste Exportziel der Schweiz. Zusätzlich stieg der Franken gegenüber dem Dollar seit Januar um 10 Prozent. «Mit 39 Prozent Zöllen hat die Schweizer Aussenwirtschaft dadurch 50 Prozent grössere Probleme«, rechnet Prinz Michael vor.
Besonders betroffen sind Sparten wie Maschinenbau, Schokolade, Käse und Kaffee. Die Pharmaindustrie bleibt vorerst von Zöllen verschont, hat aber andere Probleme. Washington will die Medikamentenpreise in den USA senken und in Europa erhöhen. Bei der Bedeutung der Pharmaindustrie für die Schweiz wird dies zu einem wesentlichen Thema werden.
„Wir sprechen heute weniger von zwischenstaatlicher Diplomatie als von einem Business-Deal.“
S.D. Prinz Michael von und zu Liechtenstein
Die alte regelbasierte Weltordnung, geschaffen von USA, Europa und Japan, gelte nicht mehr. Schwellenländer gewinnen an Gewicht. «Die Welt hat die alte Ordnung aufgegeben und es kommt jetzt ein gewisses Chaos«, analysiert er. In diesem Chaos will Trump die Position der USA stärken.
Die Schweiz sei wirtschaftlich ein Riese, aber politisch und militärisch ein Zwerg. Der Bundesrat müsse jetzt geschickte Diplomatie betreiben und in einem Business-Deal Zugeständnisse machen. «Die Schweiz muss mit konkreten Angeboten kommen«, erklärt Prinz Michael. Da gebe es gute Chancen. Als Beispiel nennt er die Öffnung des Fleischmarktes.
Europa verliert dramatisch an Boden
Europa schwächelt gegenüber den USA dramatisch. Vor 15 Jahren waren die Wirtschaftsleistungen noch gleich gross. Heute erreichen die USA 29 Billionen Dollar, Europa nur 18 Billionen. Die Produktivität pro Kopf sank in Europa von 75 Prozent des US-Niveaus auf nur noch 50 Prozent.
«Eigentlich bräuchten wir weniger Staat, und mehr Wirtschaft in Europa«, fordert Prinz Michael. Europäische Länder haben eine Staatsquote von etwa 50 Prozent, die USA nur 30 Prozent.
«Die Kosten unserer Staaten sind zu hoch für unsere Wirtschaft.«
S.D. Prinz Michael von und zu Liechtenstein
Europa brauche eine starke Deregulierung. Zusätzlich belasten sinkende Bevölkerungszahlen und hohe Sozialausgaben die Wirtschaft.
Liechtenstein profitiert von EWR-Anbindung
Importe aus Liechtenstein sind „nur“ mit 15 Prozent Zoll belegt. Prinz Michael vermutet, dass die EWR-Anbindung dabei half. Liechtenstein bleibt jedoch eng mit der Schweiz verflochten. Viele liechtensteinische Betriebe sind Zulieferer für die Schweiz.
Das Land verfolge eine vorausschauende Aussenpolitik. «Nicht zuwarten und reagieren, sondern zu sehen, was passiert«, beschreibt Prinz Michael die Strategie.
Eine Verlagerung von Schweizer Unternehmen nach Liechtenstein sieht er skeptisch. «Für solche Spielchen ist die Schwelle des Humors der Amerikaner relativ niedrig«, warnt er.
Flexibilität als Schlüssel zum Erfolg
Für Liechtenstein bleibt Prinz Michael optimistisch. Das Land solle die Wirtschaft flexibel und den Staat klein halten. Mit unter 30 Prozent Staatsquote steht Liechtenstein besser da als die USA und die Schweiz.
«Bisher haben wir auch immer sehr vieles geschafft«, betont er. Krisen habe man gemeinsam gemeistert und sei gestärkt daraus hervorgegangen. Wichtig bleiben Zusammenhalt, Flexibilität und der Blick nach aussen.
Prinz Michael warnt vor der grössten Herausforderung: «Wir leben in einem Zeitalter extremer Veränderungen. Nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch, gesellschaftlich, wissenschaftlich und technisch.» Man dürfe nicht verzweifelt an Altem festhalten.
Zur Person:
S.D. Prinz Michael von und zu Liechtenstein ist Gründer und Verwaltungsrat der Geopolitical Intelligence Services AG, einem geopolitischen Informations- und Beratungsdienst mit Sitz in Vaduz. Auch ist er Präsident des Verwaltungsrates des liechtensteinischen Treuhandunternehmens Industrie- und Finanzkontor Etablissement und Herausgeber des deutschsprachigen Print- und Onlinemediums DER PRAGMATICUS.
 
			        