Startseite Lifestyle Fünfter Todestag von Baron Eduard Falz-Fein – Legende zweier Welten

Fünfter Todestag von Baron Eduard Falz-Fein – Legende zweier Welten

Baron Eduard von Falz-
Werbung im Landesspiegel

Am 17. November 2023 jährt sich zum fünften Mal der Todestag von Baron Eduard Alexandrowitsch Falz-Fein – Russe und Liechtensteiner, geheimer Diplomat zwischen den Welten. Er war eine Jahrhundert-Persönlichkeit, die im wahrsten Sinne des Wortes ein Jahrhundert durchlebt hat: Geboren am 14. September 1912 in kaiserlich russischen Gawrilowka, Gouvernement Cherson, ist er 2018 in Vaduz im 106. Lebensjahr gestorben. Er brauchte wohl auch die lange Lebenszeit, die ihm geschenkt war, denn er war so vieles – und alles zur Perfektion: Sportler und Champion, Rennfahrer und Sportjournalist, studierter Agronom und inoffizieller Diplomat, Geschäftsmann und Mäzen – und im besten Alter Lebemann, mit den berühmtesten Schönheiten dieser Welt an seiner Seite. Die aristokratische Herkunft, die man Falz-Fein, hochgewachsen, mit klassischem Profil, schwarzem Haar und markanten dunklen Augenbrauen, ansah, lebte er auch in Gesinnung und Handlungsweise, blieb dabei aber bodenständig und einfach im Umgang mit anderen.

Das verlangten allerdings auch die Lebensumstände, die den Emigranten herausforderten. Was und wie er sie bewältigte und ihm dabei oft Glück zuhilfe kam, würde einen Abenteuerroman füllen. Fest steht: Er besass den Instinkt für den richtigen Zeitpunkt, die Phantasie für unorthodoxe Lösungen und die Effizienz und Leistungsbereitschaft, sich für etwas zu engagieren. Tüchtigkeit und Klugheit, um nicht zu sagen Pfiffigkeit, hatte er wohl in seinen Genen mitbekommen. Kurz vor der Flucht aus Russland nach Lenins Staatsstreich durchsuchten Bolschewiken bei der Jagd auf adelige Bürger das Hotel Astoria in Petersburg, in welchem sich seine Eltern mit den kleinen Kindern Eduard und seiner Schwester aufhielten. Als sie das Zimmer stürmen wollten, rief seine Mutter: «Achtung, sie haben die Pocken!» – woraufhin die Burschen die Flucht antraten, und kurz darauf die Familie entkommen konnte. Der Aufstieg von Eduard Alexandrowitsch vom unbemittelten Emigranten zum wohlhabenden Mann von Welt und Bürger Liechtensteins reflektiert quasi im Zeitraffer den Aufstieg seiner Vorfahren vom 18. Jahrhundert bis zur Revolution von 1917: «Mein Vorfahren sind mit Löchern in den Hosentaschen dem Ruf von Katharina der Grossen gefolgt, die von Potjomkin eben erst eroberte Steppe im südlichen Russland zu besiedeln. Und mit ihrer Hände Arbeit haben sie die trockene Wüste in einen blühenden Garten verwandelt», pflegte er zu erzählen und damit den deutschen Namen (aus der Pfalz) zu erklären. Seine Familie gehörte zu den wohlhabendsten Gutsbesitzern Russlands, mit zwanzig riesigen und mehreren kleinen Gütern, wo sie Landwirtschaft und Viehzucht betrieben, dazu Immobilien in Metropolen Russlands, Westeuropas und in Südafrika. In Askania Nova – wie der Baron später auch seine Villa in Vaduz nannte – hatte sein Onkel einen Naturschutzpark mit Museum eingerichtet. Neben den 52 Tiergattungen und 208 Vogelarten auf den Gütern zählten zu den Nutztieren an die 50.000 Schafe, und wenn er nach ihrer Anzahl gefragt wurde, antwortete Eduards Vater: «Ich kann nicht einmal die Hunde zählen, die sie bewachen!» Sogar Zar Nikolaus II. hat eines der Güter besucht, von welchem sein Vorfahre Pferde für den Krimkrieg ausgesucht hatte,  einmal hielt er den fünfjährigen Eduard auf seinem Arm. In seinem Tagebuch notierte der Zar über den Naturpark: «Ein wunderbarer Eindruck von biblischer Schönheit…» und hinterliess eine Reisetruhe mit silberner Aufschrift, die später die Familie in die Emigration begleitete. Im Übrigen hatten Eduards Vorfahren die Pferde für den Krimkrieg «gespendet», denn als der damalige Zar sie bezahlen wollte, lehnte der Gutsherr ab: «Es ist uns eine Ehre, Majestät, etwas für die Heimat tun zu dürfen…» Dies schien später auch das Motto von Baron Eduard Alexandrowitsch gewesen zu sein. Doch bevor er, beflügelt von seiner ungebrochenen Liebe zu Russland, das umsetzen konnte, hatte er noch viele Stationen seiner Lebensreise zu durchwandern. Erst kam seine Familie – seine Mutter und deren Eltern über Berlin und München nach Nizza. Zum Glück war ihnen nach Verlust ihrer gesamten Reichtümer in Russland die Villa «Les Palmiers» geblieben, die sie verkaufen und eine bescheidenere Residenz erwerben konnten. Da war dann auch die Emigrantenszene mit grossen Namen wie Igor Strawinsky, Serge Lifar, Fjodor Schaljapin u.a. zu Gast.1932 gewann der zwanzigjährige Baron ein Radrennen und landete als Champion von Paris auf den Titelseiten der Zeitungen. Wenig später wurde er vom Journal «L’Auto» (danach «L’Equipe») als Reporter nach Berlin engagiert, wo er berühmte Sportler traf und von der Olympiade berichete. Nun entbrann auch die Leidenschaft für den Autorennsport. Dies brachte ihn mit dem italienischen Starchampion Rudolf Caracciola zusammen. Diese Freundschaft bescherte Eduard dessen jahrelange Gastfreundschaft während des Krieges, als der Baron seinen Job als Reporter verloren hatte,1941 gewann er die 1000km-Strecke von Monte Carlo nach Lugano, 1950 gewann er auf Mercedes ein Bergrennen. Caracciola schenkte ihm seien «Flügel-Mercedes», die Firma Mercedes einen kirschroten Mercedes-Sport.

Doch beruflich sollte sich der Baron nach dem Vorbild seiner Vorfahren orientieren und studierte in Nizza Agronomie.Nach dem Krieg genoss Falz-Fein in den fünfziger Jahren das Leben als Junggeselle. Inzwischen war er Staatsbürger des Fürstentums Liechtenstein geworden, weil sein Grossvater seinerzeit mit Fürst Fanz I. befreundet gewesen war, als dieser Botschafter Österreich-Ungarns in Sankt Petersburg gewesen war. Dies ermöglichte es ihm, zu reisen und von überall als Reporter zu berichten. Er dankte es dem Fürstentum, wo er konnte. So organisierte er dank seiner Kontakte in der Sportwelt ein Liechtensteinisches Olympisches Komitee mit der Teilnahme von Landsleuten an Olympischen Spielen. Für Hanni und Andi Wenzel organisierte er die passenden Rennski dazu; 1980 gewannen sie Gold und Silber. In Paris sass er bald im «Maxim’s» mit Berühmtheiten wie Jean Cocteau und Filmstars wie Alain Delon, Brigitte Bardot und Gina Lollobrigida beisammen, Zarah Leander und Joan Crawford gehörten auch zu seinen Freundinnen. In Sankt Moritz lernte er ex-Kaiserin Soraya, soeben vom Schah von Persien geschieden, kennen. Seine erste Ehefrau Virginia war Tochter des früheren britischen Finanzministers, Tochter Ljudmila wurde geboren, später Ballerina, doch die Ehe hielt nicht. Später heiratete er ein österreichisch-deutsches Photomodell, doch Christine starb früh, danach blieb der Baron allein. Beruflich entsann er sich, für seine Familie überraschend, zu einer Tätigkeit als Geschäftsmann. In Vaduz stampfte er zwei Souvenirläden aus dem Boden, die im einsetzenden Nachkriegstourismus eine Goldgrube wurden – Falz-Fein wurde rasch wohlhabend. Seine Einkünfte teilte er nun in eine Hälfte für sich und seine Tochter, die andere für kulturelles Mäzenatentum in Russland. Er kaufte bei Auktionen oder anderen Gelegenheiten russische Kulturgüter zurück und schenkte sie der jeweiligen Institution in Moskau, Petersburg oder der Ukraine. Ob Gipsabdruck von Schaljapins Händen, die Bibliothek von Serge Lifar, Gemälde wie ein berühmtes von Potjomkin, der Gobelin mit dem Abbild der Zarenfamilie (ein Geschenk des Schah von Persien 1913 zum Jubiläum der Romanows, heute wieder in Livadia), Denkmäler wie jenes für Suworow in Liechtenstein, Gedenktafeln und zahlreiche andere Objekte.

Er unterstützte die Suche nach dem Bernsteinzimmer und fädelte einen sensationellen Deal ein: Er liess das 1990 versteigerte Sokolow-Archiv mit der Untersuchung der Ermordung der Zarenfamilie von der Liechtensteiner Fürstenfamilie kaufen und erwirkte dafür von der russischen Regierung die Rückgabe von deren Familienarchiv, das während des Krieges in Wien lagerte und fälschlicherweise von der Roten Armee mitgenommen wurde, an das Fürstenhaus. Als der Baron endlich seine Heimat und Askania Nova betreten durfte, war er von der Verwüstung des früheren Paradieses schockiert – es war dem Erdboden gleichgemacht. Er spendete 100.000 US-Dollar für die Instandsetzung seines Geburtshauses. Doch als er wiederkam, in einem Hotel ohne Fliesswasser logierend, um das Ergebnis zu sehen, musste er feststellen, dass sein Geld von den Ukrainern veruntreut worden war. Er nahm es gelassen, es schmälerte seine Liebe zur alten Heimat nicht. Bis in die letzten Lebensjahre war der Baron in ständigem telefonischem, brieflichen und persönlichen Kontakt mit Persönlichkeiten der Politik und Kultur seines Landes, kannte alle Präsidenten und Premierminister der vergangenen Jahrzehnte persönlich, die ihn mit Ehrungen überschütteten.

In seinem Haus war ständig Besuch da. Auch ich durfte ihn des Öfteren besuchen, wir telefonierten und korrespondierten miteinander und besprachen meine Bücher über Russland. Zu seinem 100. Geburtstag kam ich mit meinem Mann. Als er für den Baron Klavier spielte, konnte dieser nicht genug bekommen: «Spielen Sie weiter, es erinnert mich an meinen Vater!» Die Welt seiner Kindheit war unauslöschlich präsent in Eduards Gedächtnis, und Russland in seinem Herzen. Es ist ihm erspart geblieben, zu erleben, was heute vor sich geht. Und wir, die noch da sind, danken für das Glück, Baron Eduard Falz-Fein gekannt und erlebt zu haben.

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