In der ersten Lesung zur geplanten Verkürzung der Verjährungsfrist habe ich anhand des Beispiels Asbest darauf hingewiesen, dass Gesundheitsschäden oft erst Jahrzehnte später sichtbar werden. Genau solche Fälle zeigen, wie wichtig eine ausreichend lange Frist ist – damit Betroffene ihre Ansprüche überhaupt geltend machen können. Nun steht in dieser Woche die zweite Lesung an – und damit die entscheidende Weichenstellung.
Die absolute Verjährungsfrist soll von 30 auf nur noch 10 Jahre reduziert werden. Das wirft schwerwiegende Fragen im Gesundheitswesen auf: Bei toxischen Expositionen, Umweltbelastungen, Schadstoffen, Medikamentennebenwirkungen oder medizinischen Fehlbehandlungen tritt der Schaden oft erst lange nach der eigentlichen Ursache ein. Eine verkürzte Frist würde dazu führen, dass Ansprüche verjähren, bevor der Schaden überhaupt erkennbar wird.
Ein häufig vorgebrachtes Argument lautet: nach 20 oder 30 Jahren seien medizinische Unterlagen nicht mehr verfügbar. Das mag früher zutreffend gewesen sein, trifft aber im digitalen Zeitalter immer weniger zu. Elektronische Patientenakten, digitale Archivsysteme, Bilddaten und Laborberichte werden heute über lange Zeiträume gespeichert. Die Beweislage ist besser als vor 30 Jahren – nicht schlechter.
Ebenso wird darauf verwiesen, dass in Fällen strafbarer Handlungen weiterhin 30 Jahre gelten würden. Doch dieser Hinweis greift zu kurz. Die meisten schweren Gesundheitsschäden beruhen nicht auf vorsätzlicher oder strafrechtlich relevanter Handlung, sondern auf Fahrlässigkeit, mangelnder Risikoabwägung, organisatorischen Fehlern oder verspäteter wissenschaftlicher Erkenntnis. Eine Straftat nachzuweisen ist in der Praxis extrem selten – der Schutz würde faktisch für die allermeisten realen Fälle entfallen.
Achim Vogt
Landtagsabgeordneter (DpL)
Die Folge wäre eine erhebliche Verschiebung des Risikos: Versicherer und grosse Akteure würden früher aus der Verantwortung entlassen, während Betroffene Gefahr laufen, leer auszugehen. Diese Reform verdient eine sehr kritische Betrachtung und einen Entscheid, der die Menschen schützt – nicht die Systeme.
