ie niederländische Regierung hat die operative Kontrolle über den Chiphersteller Nexperia übernommen. Das Wirtschaftsministerium in Den Haag begründete den Schritt mit der Sorge, dass wichtige Halbleitertechnologien nach China abfliessen oder im Krisenfall nicht mehr verfügbar sein könnten. Mit der Massnahme will die Regierung den Transfer strategischer Technologien verhindern und zugleich sicherstellen, dass kritische Bauteile für die europäische Industrie im Ernstfall in ausreichender Menge zur Verfügung stehen.
Nexperia, mit Sitz in Nijmegen, gilt als einer der bedeutendsten Halbleiterhersteller Europas. Das Unternehmen produziert jährlich mehrere Dutzend Milliarden Bauteile, die vor allem in der Automobilindustrie, aber auch in Elektronik- und Kommunikationssystemen eingesetzt werden. Seit der vollständigen Übernahme durch den chinesischen Konzern Wingtech Technology im Jahr 2019 steht Nexperia zunehmend im Fokus sicherheitspolitischer Debatten. In Den Haag befürchtet man, dass die Abhängigkeit von einem chinesischen Eigentümer die technologische Souveränität der Niederlande und Europas gefährden könnte.
Die niederländische Regierung stützt ihr Vorgehen auf das sogenannte Warenverfügbarkeitsgesetz, das Eingriffe in Unternehmen erlaubt, wenn die Versorgung mit essenziellen Gütern oder Technologien bedroht ist. In der Folge wurde die chinesische Geschäftsführung teilweise entmachtet, ein unabhängiger Direktor eingesetzt und die Aufsicht über zentrale Entscheidungen auf staatliche Stellen übertragen.
Die Reaktion aus Peking folgte prompt: Die chinesische Regierung untersagte die Ausfuhr von in der Volksrepublik gefertigten Nexperia-Chips. Damit drohen Lieferengpässe, die vor allem die europäische Automobilindustrie empfindlich treffen könnten. Nexperia beliefert nach eigenen Angaben zahlreiche grosse Fahrzeughersteller und Zulieferer mit Milliarden von Mikrochips pro Jahr. Branchenvertreter warnen vor einem möglichen Stillstand von Produktionslinien, sollte der Exportstopp länger andauern.
An den Finanzmärkten sorgte der Schritt für Turbulenzen. Die Aktien des Mutterkonzerns Wingtech verloren an der Börse in Shanghai zweistellig, und auch europäische Zulieferer zeigten sich verunsichert. Beobachter sprechen von einem Eingriff mit Signalwirkung, der über den Einzelfall hinausreicht. Innerhalb der Europäischen Union wächst der Druck, Schlüsselindustrien stärker zu schützen und eigene Kapazitäten in der Halbleiterproduktion aufzubauen.
Wie es für Nexperia weitergeht, ist ungewiss. Die niederländische Regierung betont, dass der Eingriff vorübergehend sei und dem Schutz von Arbeitsplätzen und Produktionssicherheit diene. Gleichzeitig laufen Gespräche über eine mögliche Neuordnung der Eigentumsverhältnisse. Klar ist: Der Fall Nexperia steht exemplarisch für den wachsenden Konflikt zwischen wirtschaftlicher Globalisierung und dem politischen Willen, technologische Unabhängigkeit zu wahren – ein Balanceakt, der Europas Industriepolitik noch lange beschäftigen dürfte.
