Startseite Ausland Von der Leyen fordert härtere EU-Sanktionen gegen Israel

Von der Leyen fordert härtere EU-Sanktionen gegen Israel

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat am Mittwoch überraschend einen deutlichen Kurswechsel in der Nahost-Politik der Europäischen Union angekündigt. In ihrer Rede zur Lage der Union vor dem Europäischen Parlament in Strassburg schlug sie härtere Sanktionen gegen Israel vor – darunter die Aussetzung von Finanzhilfen, gezielte Strafmassnahmen gegen rechtsextreme Kabinettsmitglieder sowie eine teilweise Aussetzung des EU-Assoziierungsabkommens, das die Handelsbeziehungen regelt.

„Das Leid der Kinder und Familien in Gaza hat das Gewissen der Welt erschüttert. Eine von Menschen verursachte Hungersnot darf niemals als Waffe des Krieges dienen. Das muss aufhören“, erklärte von der Leyen unter dem Applaus zahlreicher Abgeordneter. Etwa ein Drittel der Parlamentarier trug rot, um Solidarität mit den Zivilisten in Gaza zu bekunden.

Die EU ist Israels wichtigster Handelspartner. Ein teilweiser Handelsstopp könnte daher erhebliche wirtschaftliche Folgen haben. Laut Kommission sollen zunächst rund 32 Millionen Euro an bilateralen Mitteln eingefroren werden. Die Zusammenarbeit mit israelischen zivilgesellschaftlichen Organisationen sowie die Unterstützung der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem sollen jedoch fortgesetzt werden.

Von der Leyens Vorstoss spaltet die Union: Während Länder wie Spanien, Irland und die Niederlande seit Langem eine kritischere Haltung gegenüber der israelischen Regierung fordern, stellen sich Deutschland, Österreich, Ungarn und Tschechien traditionell an die Seite Jerusalems. Besonders Deutschland gilt nach den USA als wichtigster Rüstungslieferant Israels.

Israels Aussenminister Gideon Saar wies die Vorschläge scharf zurück. In einem Beitrag in den sozialen Medien warf er der EU-Kommissionschefin vor, dem Druck der Strasse nachzugeben und damit „die Feinde Israels zu ermutigen“. Israel bestreitet zudem, dass es in Gaza zu einer Hungersnot gekommen sei, und verweist auf Hilfslieferungen, die ins Gebiet gelassen würden.

Menschenrechtsorganisationen reagierten zwiespältig. Amnesty-Generalsekretärin Agnès Callamard bezeichnete die Initiative als „beschämend verspätet“, forderte jedoch Deutschland und Italien auf, die Massnahmen nicht zu blockieren. Auch Experten äusserten Zweifel, ob die Sanktionen angesichts der hohen Opferzahlen noch rechtzeitig seien.

Seit Beginn der israelischen Offensive im Oktober 2023 sind nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza mehr als 64.000 Palästinenser getötet worden. Israel verweist auf den Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober, bei dem 1.200 Menschen starben und mehr als 250 verschleppt wurden, als Auslöser des Krieges.

Ob die 27 EU-Staaten eine gemeinsame Linie finden, bleibt fraglich. Von der Leyens Vorstoss gilt dennoch als historisch: Erstmals schlägt die Kommissionspräsidentin selbst spürbare Sanktionen gegen Israel vor – ein Bruch mit ihrer bislang als ausgesprochen israelfreundlich geltenden Haltung.

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