Mit Betroffenheit haben viele die Bilder des verheerenden Erdrutsches in Blatten (VS) in der Schweiz gesehen. Dutzende Menschen mussten evakuiert werden, Existenzen stehen auf dem Spiel. Die liechtensteinische Regierung reagierte mit einer Spende von 100’000 Franken. Eine Summe, die angesichts des Schicksals unserer Nachbarn mehr als bescheiden wirkt. Zumal die Regierung nur wenige Wochen zuvor eine Landesrechnung mit einem Gewinn von über 330 Millionen Franken präsentierte.
Solidarität misst sich nicht an Worten, sondern am Handeln. In einer Zeit, in der für LED-Projekte jährlich rund 15 Millionen Franken aufgewendet werden, in der Liechtenstein 8,8 Millionen für die Aufbauhilfe in der Ukraine beisteuert, dies exklusive der Flüchtlingshilfe im Land welche mit über 10 Mio. budgetiert ist und in der sich die Regierung auf internationalem Parkett engagiert wie etwa beim UNO-Flüchtlingspakt, wirkt die Notfallhilfe für ein schwer getroffenes Nachbardorf fast zynisch.
Natürlich ist internationale Verantwortung wichtig. Doch sie darf nicht dazu führen, dass wir die Hilfe für unsere unmittelbaren Nachbarn vernachlässigen. Gerade die Schweiz, mit der Liechtenstein auf allen Ebenen eng verbunden ist, verdient ein starkes Zeichen der Verbundenheit und nicht eine symbolische Abgeltung, die dem Ausmass der Katastrophe nicht gerecht wird.
Der erste Eindruck zählt und dieser kann nicht mehr korrigiert werden. Der Umgang mit der Katastrophe in Blatten durch die Regierung sendet ein fragwürdiges Signal an unsere Freunde in der Schweiz. Es wäre ein Zeichen politischer Grösse, diesen Fehler anzuerkennen und unsere Unterstützung nachzubessern. Denn echte Solidarität beginnt nicht am Verhandlungstisch der UNO, sondern vor der eigenen Haustür.
Martin Seger