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Zuhause in Europa?

Thomas Wieser, Johanna Mair, Anna-Maria Wallner
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Auf dem Dach des Konferenzzentrums, umgeben von nebelverhangenen Bergen, trafen sich am Montag die Wissenschaftlerin Johanna Mair und der Ökonom Thomas Wieser zum Gespräch mit Anna Wallner, der Gastgeberin des „Presse“-Podcasts „Was in Alpbach wichtig ist“. Das Forum Alpbach bot den Rahmen für eine tiefgründige Diskussion über die wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen Europas in den letzten 35 Jahren.

Europa im Wandel seit 1989

Die Gespräche in Alpbach drehten sich um das sich wandelnde Europa seit dem Fall der Berliner Mauer 1989. Johanna Mair, die lange Zeit in Brüssel tätig war und heute als Co-Direktorin des Global Innovation for Impact Lab an der Stanford University lehrt, reflektierte über ihre Identität als Europäerin. Mair, gebürtige Südtirolerin, betonte, wie sehr sie sich stets als Teil eines grösseren, europäischen Ganzen gesehen hat. Diese europäische Identität habe ihr geholfen, ihre eigene Geschichte und die ihrer Region im Kontext eines vereinten Europas zu verstehen.

Thomas Wieser, ehemaliger Vorsitzender der Eurogroup Working Group. Er betonte, dass sein Heimatgefühl stets Europa umfasste. Die Vielschichtigkeit seiner Herkunft unterstrich die Komplexität und die kulturelle Vielfalt Europas, die zugleich seine Stärke und Herausforderung darstellt.

«Als ich aus den USA zurückkam, war das Erste, was ich gemacht habe, nach Italien fahren und in Siena am Platz einen Cappuccino trinken. Und dann habe ich das Gefühl gehabt, jetzt bin ich wieder zu Hause. Nicht in Österreich, sondern Zuhause in Europa.«

Thomas Wieser

Die Herausforderungen der europäischen Integration

Ein zentrales Thema des Gesprächs war die schwierige Kommunikation zwischen den europäischen Nachbarstaaten, insbesondere in den letzten Jahrzehnten. Mair und Wieser diskutierten, warum es trotz gemeinsamer EU-Mitgliedschaft oft an echtem Interesse und Austausch zwischen den Bürgern und Regierungen Europas mangelt. Mair merkte an, dass es nicht nur an Sprachbarrieren liegt, sondern auch an einem mangelnden Interesse, wirklich über Grenzen hinweg zu kommunizieren und andere Perspektiven zu verstehen.

«Ich glaube, wir müssen uns ernsthaft die Frage stellen, ob diese Parteistrukturen, politische Eliten, noch den demokratischen Ansprüchen, die wir heute haben, um solche Herausforderungen anzugehen, wirklich gerecht werden.«

Johanna Mair

Wieser erinnerte daran, wie wichtig es gewesen wäre, sich schon früher intensiver mit Ländern wie der Ukraine zu beschäftigen. Er kritisierte, dass in vielen europäischen Hauptstädten, einschliesslich Brüssel, das Interesse an den östlichen Nachbarn lange Zeit gering war. Dies habe dazu geführt, dass wichtige Entwicklungen übersehen wurden.

Europa: Ein Erfolgsprojekt mit Nachholbedarf

Trotz der bestehenden Probleme waren sich Mair und Wieser einig, dass Europa ein Erfolgsprojekt ist. Wieser betonte die spektakulären Fortschritte, die viele mittel- und osteuropäische Länder in den letzten 35 Jahren gemacht haben. Dennoch warnte Mair, dass die EU-Institutionen angesichts der aktuellen Herausforderungen reformiert werden müssen, um das Projekt Europa zukunftsfähig zu machen. Sie plädierte für institutionelle Innovationen, die den veränderten politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gerecht werden.

Ein weiteres Thema war die zunehmende Illiberalität in einigen europäischen Ländern. Hier zeigte sich, wie vielfältig die Einflüsse sind, die diese Entwicklung vorantreiben – von ökonomischen Zwängen bis hin zu Migration und Populismus. Wieser betonte, dass es einer tiefgreifenden politischen Bildung bedarf, um diesen Tendenzen entgegenzuwirken und das demokratische Fundament Europas zu stärken.

«In Österreich sind wir nicht sonderlich befähigt, Kritik zu artikulieren und noch weniger dazu befähigt, Kritik aufzunehmen.»

Thomas Wieser
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