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Faktencheck zum IWF-Beitritt

Gregor im Labor
Eiskönigin

Aktuell wird in Leserbriefen, sozialen Medien und anderen Kanälen viel über den IVF-Beitritt diskutiert und zahlreiche Behauptungen werden in den Raum gestellt.

Um diese Argumente besser einordnen zu können, haben wir über die gängigsten Behauptungen und Zahlen einen Faktencheck gemacht und möchten auch über die Hintergründe etwas mehr erläutern.

Behauptung 1. Der IWF-Beitritt kostet 30 Millionen Franken

Faktencheck: Falsch

Bei den kolportierten 30 Millionen Franken handelt es sich nicht um Kosten der Mitgliedschaft, sondern um eine Einlage, die Liechtenstein beim IWF hinterlegen muss – die sogenannte Quote.

Diese Anlage wird verzinst. Dazu sollte man folgendes wissen:

Diese Anlage nicht in Franken oder Dollar, Sonderziehungsrechten hinterlegt. Das ist eine „künstliche“ Währung, die es zwar nicht als Geldschein gibt, aber dennoch gehandelt und umgetauscht werden kann. Die Einlage wirft aktuell einen Zinssatz von etwa 4% ab.

Das ist grundsätzlich ein gutes Geschäft, wenn man sich anschaut, wie Liechtenstein seine Vermögenswerte sonst investiert hat und welche Zinsen daraus resultieren konnten.

Allerdings muss man berücksichtigen, wie sich der Kurs der Sonderziehungsrechte im Vergleich zum Schweizer Franken verhalten hat. In den letzten Jahren ist der Wert der Sonderziehungsrechte durchschnittlich um 1,5 bis 2% pro Jahr gesunken.

Kursverlauf SZR zu CHF
Kursverlauf SZR zu CHF

Berechnet man den Wechselkurs mit ein, ergibt sich eine reale Verzinsung in Schweizer Franken von etwa 3,5%. Der Sinn und Zweck dieser Einlage ist primär nicht, damit Erträge zu erwirtischaften. Kauf das Land Goldbarren und Bunkert sie im Keller des Regierungsgebäudes, werden diese jedenfalls keine Zinsen ab.

Natürlich könnte man jetzt sagen, wenn das Land Liechtenstein sein überschüssiges Geld irgendwo anders investiert, könnte man vielleicht 4 oder 4,5 oder 5% lukrieren. Das ist vielleicht möglich. Gehen wir einmal davon aus, dass das Land investiert sein ganzes Geld in die LLB, dann kriegt man mit der Dividende etwa 5%.

Crasht die Liechtensteinische Wirtschaft, Crasht auch die LLB und dann ist diese Werthaltigkeit dieser Anlage eher nicht mehr ganz so rosig. Andererseits würde in diesem Fall der Wert der Sonderziehungsrechte im Vergleich zum Franken steigen. Und genau das ist einer der Funktionen der Einlage beim IWF. Wenn die Wirtschaft des eigenen Landes den Bach abgeht, kann mit einer Anlage in einer stabilen Währung diese schon durch die Rückkonvertierung eine, wenn auch nur geringe Stabilisierung erreicht werden. Diese „Trendwende“ kann mitunter bei internationalen Finanzspekulanten bereits zu einer Abkehr der „Wetten gegen eine Währung“ führen.

Jetzt hat Liechtenstein zwar keine eigene Währung, und durch die Liechtensteinische Einlage kann schon von der Idee her niemals der ganze Schweizer Franken stabilisiert werden. Allerdings muss man das auch in einem anderen Gesichtspunkt sehen: Stellen wir uns vor, in 20 Jahren verliert der Schweizer Franken dramatisch an Wert. Das ist unwahrscheinlich, aber gehen wir einmal davon aus.

Natürlich kann dann auch die Schweiz mit ihrer Einlage beim IWF versuchen, den Franken zu stabilisieren, oder mit anderen ausländischen Vermögenswerten, wenn sie diese konvertiert und damit auf den internationalen Börsen Franken kauft.

Scheitert das aber und der Franken bricht elementar ein, denn hat Liechtenstein auch ein Problem. Die Einlage beim IWF in Sonderziehungsrechten muss aber nicht zwingend in Franken zurückgewechselt werden. Wenn der Franken nichts mehr wert sein sollte, besteht die Möglichkeit, diese in Euro, in Dollar, in dänische Kronen oder eine andere Währung zu konvertieren. Das würde ein Neustart der Volkswirtschaft enorm erleichtern.

Behauptung 2: Die Verwaltungskosten betragen CHF 500’000

Faktencheck: Falsch

Dabei handelt es sich um Kosten für Mitarbeiter, die das Land Liechtenstein braucht, um beispielsweise statistische Daten zu erheben, das Land in den Gremien des IWF vertreten oder die dort als Experten mitarbeiten.  

Natürlich kann man sagen, dass bei manchen dieser Statistiken, die hier erhoben und berechnet werden, ist einfach nur schön, es zu haben. Aber es ändert nichts am Management eines Landes, weil man auf diese Zahlen basierend keine Entscheidungen treffen kann.

Jeder Vergleich hinkt, besonders wenn man Liechtensteinische Kennzahlen mit anderen Ländern vergleicht, selbst mit anderen Kleinstaaten, wird man oft feststellen müssen, dass diese eben nicht vergleichbar sind.

Aber stellen wir uns noch einmal vor, dass diese ein oder zwei Mitarbeiter, die hier zusätzlich eingestellt werden, durch diese Statistiken nur jedes Jahr ein paar Ineffizienzen aufdecken oder mögliche Optimierungen im Land, oder durch den Vergleich mit anderen Staaten sehen, dass man hier und da etwas besser machen könnte. Dann sind diese Kosten vielleicht schnell amortisiert.

In vielen Unternehmen ist Data-Driven Management heute allgegenwärtig und ein Unternehmen wird sich überlegen, ob es sich rentiert, einen Statistiker anzustellen. Darum kann es vielleicht auch für einen Staat Sinn machen. Zahlen, Daten, Fakten über seine Volkswirtschaft nicht nur aus dem Bauchgefühl zu kennen, sondern evidenzbasiert vorliegen zu haben.

Entscheidend ist dann natürlich, dass fähige Personen in der Regierung diese Zahlen auch interpretieren können und basieren darauf die richtigen Entscheidungen treffen.

Behauptung 3: Der IWF ist imperialistisch und beutet arme Länder aus

Faktencheck: Falsch

Bei diesem Vorwurf geht es meist um die hohen Zinsen, welche verschiedene Länder im Rahmen von IWF-Krediten bezahlen. Um das einordnen zu können, müssen wir verschiedene Dinge verstehen.

Zuerst sollten wir uns hierzu die Frage stellen, woher der IWF das Geld hat, um diese Kredite zu vergeben. Es kommt aus den Einlagen der Mitgliedsländer. Und wie wir unter Behauptung 1 gelernt haben, möchte Liechtenstein, wie vermutlich alle anderen Länder, die Geld beim IWF angelegt haben, dafür Zinsen haben.

Darum muss der IWF das Geld entsprechend verzinsen. Nun, wenn der IWF derartige Kredite an ein Land vergibt, dann müssen wir unterscheiden zwischen nominellen Zinsen und realen Zinsen.

Das Ziel dieser Kredite die Stabilisierung der Wirtschaft und insbesondere der Währung des betreffenden Landes. Wenn nun der IWF einen Kredit an, sagen wir Argentinien, zu 8% vergibt und durch diesen Kredit die entsprechenden Stabilisierungsmassnahmen eintreten. Steigt der Wert der Landeswährung zum Sonderziehungsrecht in einem Jahr beispielsweise um 6%, wäre die reale Verzinsung nur mehr 2%.

Wenn behauptet wird, dass der IWF von den Kreditnehmerländern Sparmassnahmen und andere Dinge verlangt, dann muss man sich schon auch die Frage stellen, was würde passieren, wenn der IWF einfach Kredite an ein Land vergibt, das von einem Staatsbankrott betroffen ist und dann aber genau so weitermacht wie bisher. Vermutlich würde das in kürzester Zeit wieder zur selben Situation führen. Von dem her kann man sich schon die Frage stellen, ob es nicht Sinn macht, wenn dann internationale Experten auch Reformen einfordern. Zudem dienen diese Massnahmen auch dazu, die Rückzahlung der Kredite sicherzustellen. Auch Liechtenstein hätte sein verliehenes Geld gerne wieder zurück. Jetzt kann man sicher die ein oder andere Massnahme, die der IWF einem Land aufgedrückt hat, kritisch hinterfragen. Insgesamt macht das aber vielleicht schon Sinn.

Kein Land gezwungen ist beim IWF einen Kredit zu nehmen. Es gibt andere Geldgeber: andere Staaten, Staatenverbünde, es gibt die Weltbank und es gibt auch Privatinvestoren (Pensionsanstalten, Hedgefonds, ect). Entscheidet sich ein Land dazu, beim IWF einen Kredit aufzunehmen, dann tut das meistens nach reiflicher Überlegung und weil es doch die günstigste Möglichkeit ist, trotz der Vorgaben und Einschränkungen an internationales Geld zu kommen.

Behauptung 4 – Liechtenstein könnte sich in einer Krisensituation auch anderweitig Geld leihen

Faktencheck: Teilweise richtig

Richtig ist, dass Liechtenstein sich bei der Schweiz, bei anderen Ländern, oder privaten Banken und Anlegern Geld leihen kann. Allerdings würde weder die Schweiz noch ein anderes Land und schon gar nicht private Investoren dem Land zinsfrei ein Dahlen in einer Krisensituation einräumen. Insbesondere wenn die Situation dermassen dramatisch ist, so würde das wohl durchaus bei Anlegern zu einer gewissen Zurückhaltung führen und zu höheren Zinsen.

Hinzu kommt, dass bei einer gröberen Krise, welche den Franken an sich in Mitleidenschaft zieht, die Ressourcen der Schweiz auch nicht unerschöpflich sind. Liechtenstein ist dann vermutlich nicht die oberste Priorität beim Schweizer Bundesrat oder bei der SNB.

Schlussendlich ist weder die Schweiz noch ein anderes Land dazu verpflichtet, Liechtenstein einen Kredit zu gewähren. Bei einer IWF-Mitgliedschaft hätte Liechtenstein tatsächlich einen Rechtsanspruch auf einen entsprechenden Notfallkredit.

Ob Liechtenstein in einem solchen Krisenfall schlussendlich einen Kredit beim IWF aufnimmt oder die notwendigen finanziellen Mittel anderweitig organisiert, das wird dann von den Bedingungen abhängen. Ich denke, man kann einer Regierung unterstellen, dass sie das Geld dort aufnehmen wird, wo es am günstigsten ist.

Behauptung 5: Gegen Elementarereignisse kann man auch eine Versicherung abschliessen

Faktencheck: Richtig, aber …

Nehmen wir das vom Regierungschef gerne gebrauchte Beispiel des Rheindammbruchs, der die Wirtschaft Liechtensteins zum Zusammenbrechen bringen könnte. Wenn sich das Land Liechtenstein gegen einen solchen Rheindammbuch und seine gravierenden Folgenschäden absichern wollen würden, wäre das sicher nicht bei der Versicherung ums Eck möglich. Eventuell bei einer grossen internationalen Versicherung, aber eher auch nur in Zusammenwirken mit einem grossen Rückversicher.

Diese Unternehmen arbeiten nicht gratis. Wenn man Schäden in Milliardenhöhe absichern will, kann man sich leicht ausrechnen, wie hoch derartige Versicherungsprämien sein würden. Wenn sie überhaupt versicherbar sind und das darf durchaus bezweifelt werden.

Ob die IWF-Mitgliedschaft als Versicherungspolice gegen Elementarereignisse gedacht ist, diese Frage kann man berechtigt stellen. Wahrscheinlich ist sie es nicht. Dennoch ist die Argumentation der Regierung, dass für ein sehr kleines Land derartige Ereignisse doch katastrophaler sind als wie für grössere Länder, schlüssig.

Dornröschen

3 Kommentare

Agnes Dentsch 8. August 2024 - 12:39

Mein Kommentar:
Bei einer weltweiten Finanzkrise können Banken geschlossen bleiben, wie es 2008 schon geschah.
Wenn ich kein Geld von den Banken bekomme,kann ich auch kein Brot kaufen.
Aber, wenn wir IWF Mitglied werden bekomme ich Geld zum Brot kaufen? An wem muss ich dann wenden? An die Regierung?
Das sind Fragen die als besorgte Bürger stelle! Alle sonstige Erklärungen von wem auch immer, ist für mich irrelevant.

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Landesspiegel 8. August 2024 - 14:01

In einem solchen Fall wäre zu unterscheiden, ob es sich nur um eine Bank handelt oder um alle.
Wenn nur eine Bank marode ist, greift die Einlagensicherung. Diese ist in Liechtenstein 100.000 CHF.

Ist das ganze Finanzsystem in Liechtenstein und der Schweiz betroffen, dann würde es keinen Sinn machen, die Banken zu öffnen. Der Franken wäre auf den Tatsch nichts mehr wert. Sagen wir, jemand hat ein Guthaben von CHF 10’000. Wenn die Bank das auszahlt, aber ein Wecken Brot CHF 20’000 kostet, kann man dafür auch nichts kaufen und die Situation wird nur noch schlimmer. Und für genau so einen Fall macht es Sinn, wenn die Regierung auf eine Notreserve in einer anderen Währung zurückgreifen kann. Sie kann dann beispielsweise die Frankenguthaben auf Liechtensteinischen Konten gegen Euro oder eine andere Währung tauschen. Vermutlich zu einem sehr schlechten Kurs. Damit kann man dann aber gerade sicherstellen, dass sich die Bürger wenigstens Brot kaufen können.

Antworten
Franz Frick 9. August 2024 - 10:53

Liebe Agnes, wenn du so offensichtlich mal überhaupt keine Ahnung hast, woher kommt das Bedürfnis, dich immer wieder dazu zu äusseren? Für dich, ganz simpel: Der IWF stellt Notfallliquidität zur Verfügung, die Banken bleiben offen und du bekommst dein Brot.

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