Ich kann gut nachvollziehen, dass «Direktwahl der Regierung» für viele verlockend klingt und Interesse weckt. Bevor ich selbst aktiv in die Politik involviert war, hegte ich ebenfalls den Wunsch, den Landtag unabhängig von der Regierung zu wählen. Nicht nach Parteizugehörigkeit, sondern ganz frei nach meinen Vorstellungen und Sympathien. Der Vorteil für die Landtagswahlen wäre, dass strategische Überlegungen hinsichtlich der Regierungswahl wegfallen würden. Dies hat aus demokratiepolitischer Sicht sicher einen Reiz.
Ich bin offen für Optimierungen am heutigen System, aber sicher nicht mit diesem halbfertigen Vorschlag der DPL, der ohne konkrete Ideen zur Ausgestaltung der involvierten Gesetze bereits am 1. Juli 2024 in Kraft treten soll. Dass die beigezogenen Schweizer Experten dieses Modell, das noch nirgendwo erprobt wurde, durchexperimentieren möchten, ist schon klar. Dann kann man ja mal schauen, was passiert. Dies ist ein Spiel mit dem Feuer – nichts für unsere seit 100 Jahren bewährte und so oft erprobte und diskutierte Verfassung!
Seit ich mehr Einblick in das Funktionieren des Landtages und die Arbeit der Regierung habe, hat sich meine Meinung geändert. Ich habe erkannt, wie wichtig das Zusammenspiel ist, um gemeinsam Fortschritte zu erzielen. Ich habe Respekt vor dieser Arbeit und auch was tagtäglich von den gut 1000 Mitarbeitenden in unserer Landesverwaltung geleistet wird. Sie alle tragen sehr wohl dazu bei, dass wir über eine hohe Standortattraktivität mit kurzen Wegen und einer effizienten Verwaltung verfügen.
Die Zusammenarbeit in der Koalitionsregierung funktioniert und hat sich über viele Jahre bewährt. Dass man sich nicht immer einig ist und es auch da menschelt, ist logisch und auch gut so, denn genauso entstehen schlussendlich die besten Lösungen und Mehrheiten. Verantwortungsvolle Regierungs- und Landtagsarbeit bedeutet aber auch, unpopuläre Entscheide zu treffen und nicht nur Geschenke zu verteilen, um es allen recht zu machen. Wir sind eines der wohlhabendsten Länder, ohne Staatsverschuldung und mit ausgeglichener Jahresrechnung. Um diese komfortable Ausgangslage auch weiterhin beizubehalten, braucht es eine vorausschauende und verantwortungsvolle Politik und es ist wichtig stets das grosse Ganze im Auge zu behalten, damit dies auch so bleibt. Die aktuelle Verfassung ist eine Garantin für all dies! Experimente? Nein, danke!
Dagmar Bühler-Nigsch
Landtagsabgeordnete und VU-Vizepräsidentin Oberland