EU sieht sich in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft aktuell einigen gröberen Konflikten gegenüberstehen. In diesem Zusammenhang ist eine mögliche Ausdehnung des Staatenbunds aktueller den je. In einem hochkarätig besetzten Panel wurde diese Frage heute auf dem Forum Alpbach diskutiert. Carl Bildt ehemaliger Premierminister Schwedens, der nicht nur in der Westbalkanregion, sondern auch in der Ukraine aktiv war und weiterhin ist.
Bildt begann seinen Vortrag, indem er die Bedeutung der aktuellen Lage hervorhob. Die Ereignisse in der Ukraine und der Konflikt im Osten Europas stellten für die EU eine der komplexesten und bedeutendsten Herausforderungen dar. Er betonte, dass dies nicht nur eine Frage der Kriegsführung sei, sondern auch, wie der Frieden nach einem möglichen Konflikt gestaltet werden könne.
Der ehemalige schwedische Premierminister erinnerte daran, dass die EU-Erweiterung in der Vergangenheit eine äusserst erfolgreiche Politik war. Sie habe nicht nur zur Schaffung des Binnenmarktes beigetragen, sondern auch zur Stabilität in Europa beigetragen. Integration habe dazu beigetragen, historische Feindschaften zu überwinden und demokratische Veränderungen in Südeuropa zu fördern.
Die Debatte über die «Vertiefung versus Erweiterung» taucht in Brüssel immer wieder auf. Für Bildt ist jedoch wichtig, dass die Erfahrung zeige, dass die Erweiterung nicht notwendigerweise die Vertiefung behindere. Tatsächlich habe die Erweiterung oft zur Vertiefung geführt. Die Hauptblockade für Vertiefungsmassnahmen sei nicht von neuen Mitgliedern ausgegangen, sondern von denjenigen, die bereits Mitglieder waren.
In Bezug auf die aktuellen Erweiterungspläne betonte Bildt, dass es durchaus realistisch sei, die Verhandlungen mit einer Reihe von Ländern, darunter die Ukraine und die Länder des Westbalkans, während der Amtszeit der nächsten Europäischen Kommission abzuschliessen. Dies hänge jedoch von der Bereitschaft der Mitgliedstaaten ab, die Verhandlungen zu führen und die notwendigen politischen und administrativen Ressourcen bereitzustellen.
Abschliessend unterstrich Carl Bildt, dass die Zukunft Europas in den nächsten fünf Jahren stark von der Frage der Erweiterung und der Stabilität in Osteuropa geprägt sein werde. Er hoffe, dass die EU nicht nur zur Lösung des Ukraine-Konflikts beitragen könne, sondern auch zur Stabilisierung der Situation an ihren westlichen Grenzen.
Arancha González Laya, Dekanin der Paris School of International Affairs Sciences Po vertritt die Auffassung, dass die Debatte über die Erweiterung nicht auf die Mitgliedschaft von Ländern in der Nähe der EU beschränkt ist, sondern eine existenzielle Frage für die Zukunft Europas darstellt.
Die Welt erlebt derzeit strukturelle Veränderungen in der Wirtschaft, der Technologie, im Klimawandel und in der politischen Landschaft. Demokratien sind von innen und aussen bedroht, und Geopolitik spielt eine immer wichtigere Rolle in den internationalen Beziehungen.
Für die EU bedeutet dies, dass sie sich an diese neuen Realitäten anpassen muss. González Laya betonte, dass die Diskussion über «Vertiefung versus Erweiterung» veraltet sei. Die EU könne nicht stärker werden, ohne zu expandieren, da dies eine enorme geopolitische Gefahr darstellen würde. Gleichzeitig könne die EU nicht expandieren, ohne die Fragen der Haushaltspolitik, der Aussen- und Sicherheitspolitik und des Binnenmarktes zu klären.
Die Frage der Erweiterung sei eine entscheidende, da sie darüber entscheidet, ob die EU ihre eigene Zukunft gestalten möchte oder von anderen Akteuren getrieben wird. González Laya betonte, dass nicht nur Frankreich, sondern auch andere Mitgliedstaaten Interessen in diesem Bereich haben und dass die EU zeigen müsse, wie ernsthaft sie ihre strategische Rolle in der Welt wahrnehmen wolle.
Schliesslich betonte sie, dass die EU vor einer grundlegenden Entscheidung stehe und dass es notwendig sei, diese Schwelle zu überschreiten und die Debatte darüber zu führen, wie die EU ihre Zukunft gestalten möchte. Dies sei eine anspruchsvolle Aufgabe, erfordere aber Führung und Engagement seitens der EU-Mitgliedstaaten.