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EU uneinig über geplante Chatkontrolle

Die Europäische Union ringt weiterhin um eine gemeinsame Linie bei der sogenannten Chatkontrolle. Der umstrittene Gesetzesvorschlag der EU-Kommission sieht vor, dass Messenger-Dienste künftig automatisiert nach Darstellungen von sexuellem Kindesmissbrauch durchsucht werden sollen – noch bevor Nachrichten verschlüsselt und versendet werden. Mehrere Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, Österreich und die Niederlande, stellen sich jedoch gegen eine anlasslose Überwachung privater Kommunikation.

Die Kommission argumentiert, dass der Schutz von Kindern im Netz oberste Priorität habe. Laut EU-Innenkommissarin Ylva Johansson sei das Ziel, »die Verbreitung von Missbrauchsmaterial zu stoppen und Täter frühzeitig zu identifizieren«. Die geplante Regelung sieht vor, dass Anbieter wie WhatsApp, Signal oder Telegram Bilder, Videos und Links mit Datenbanken bekannter Missbrauchsdarstellungen abgleichen müssen. Unbekanntes Material soll mithilfe künstlicher Intelligenz erkannt werden. Bei einem Verdacht würden die Plattformen automatisch eine Meldung an die Behörden übermitteln.

Mehrere EU-Staaten warnen jedoch vor massiven Eingriffen in Grundrechte. Justizministerinnen und -minister verschiedener Länder betonen, dass eine flächendeckende Kontrolle privater Kommunikation mit dem Recht auf Datenschutz und dem Prinzip der Verhältnismässigkeit nicht vereinbar sei. Auch Bürgerrechtsorganisationen und IT-Sicherheitsforscher kritisieren, dass die geplante Technologie die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung de facto aufheben würde.

Befürworter des Vorhabens verweisen hingegen auf die dramatisch steigende Zahl von Online-Missbrauchsfällen. Ermittlungsbehörden in mehreren Mitgliedstaaten berichten regelmässig von Plattformen, auf denen kinderpornografisches Material verbreitet wird. Die Kommission sieht die Chatkontrolle daher als notwendiges Mittel, um Täter zu stoppen und Kinder besser zu schützen.

Die Diskussion spaltet nicht nur die Mitgliedstaaten, sondern auch das Europäische Parlament. Während konservative und einige liberale Abgeordnete die Pläne grundsätzlich unterstützen, warnen Grüne und Sozialdemokraten vor einem »Überwachungsstaat durch die Hintertür«. Eine Entscheidung über die endgültige Ausgestaltung des Gesetzes wird frühestens beim Europäischen Rat im Dezember erwartet.

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