Der frühere schwedische Ministerpräsident und EU-Diplomat Carl Bildt hat beim Europäischen Forum Alpbach heute eine ausführliche Analyse zu den Ursachen und Perspektiven populistischer Bewegungen in Europa gegeben. In seinem Vortrag beleuchtete Bildt sowohl historische als auch aktuelle Entwicklungen und unterstrich, dass radikale Parteien kein rein neues Phänomen darstellen, sondern sich in unterschiedlichen Formen über Jahrzehnte hinweg manifestieren.
Bildt betonte, dass ein Segment der Wähler in nahezu allen europäischen Ländern langfristig unzufrieden ist und regelmässig Parteien unterstützt, die als populistisch oder extrem gelten. Historisch betrachtet seien in Südeuropa lange Zeit kommunistische Parteien mit 20 bis 25 Prozent Wähleranteil aktiv gewesen, die das Gefühl sozialer und wirtschaftlicher Marginalisierung widerspiegelten. Mit der wirtschaftlichen Entwicklung und dem Niedergang kommunistischer Ideologien sei diese Form der Unzufriedenheit jedoch weitgehend verschwunden.
Ein zentrales Thema seines Vortrags war die Migration. Bildt verwies auf die Auswirkungen der Flüchtlingskrise von 2015 auf die politischen Landschaften, insbesondere in Österreich, Schweden und anderen Ländern. In Österreich etwa führte die Aufnahme von Flüchtlingen zu einer verstärkten Aufmerksamkeit für populistische Parteien wie die FPÖ. Auch in Schweden hätten die Sweden Democrats durch die Flüchtlingsbewegungen an Unterstützung gewonnen, da viele Menschen das Gefühl hatten, dass die etablierten Parteien das Thema Migration nicht im Griff hätten.
Darüber hinaus erläuterte Bildt den Einfluss des ländlich-städtischen Gefälles auf die Unterstützung populistischer Parteien. Ländliche Regionen, die häufig unter Abwanderung und geschlossenen Infrastrukturen leiden, würden sich stärker von urbanen Eliten marginalisiert fühlen und deshalb einfache Lösungen populistischer Parteien begrüssen.
Bildt ging auch auf die langfristigen Perspektiven ein: Populistische Bewegungen könnten sich verändern, aber die Grunddynamik von Unzufriedenheit und politischer Repräsentation werde in Demokratien bestehen bleiben. Er warnte, dass die Politik Europas sowohl Migration als auch demografische Herausforderungen in den kommenden Jahren stärker in den Blick nehmen müsse, um die wachsende Kluft zwischen Bevölkerung und politischen Entscheidungsträgern zu überwinden.
Abschliessend betonte Bildt, dass die demokratische Landschaft in Europa in 20 bis 25 Jahren wahrscheinlich nicht dieselbe sein werde wie heute – populistische Parteien würden verschwinden oder sich wandeln, aber politische Unzufriedenheit werde weiterhin ein fester Bestandteil der europäischen Demokratien bleiben.
 
			        