Startseite InlandLandtag Debatte um Handyverbot – Landtag lehnt smartphonefreie Schule ab

Debatte um Handyverbot – Landtag lehnt smartphonefreie Schule ab

Der Landtag hat ein Postulat der DpL-Fraktion für eine flächendeckende smartphonefreie Schule abgelehnt. Mit 15 zu 10 Stimmen scheiterte der Vorstoss, der die Regierung beauftragen sollte, ein Konzept für ein Smartphone-Verbot bis zur 9. Schulstufe auszuarbeiten.

Befürworter warnen vor Gesundheitsrisiken

Die Postulanten hatten ihr Anliegen mit zahlreichen Studien untermauert. «Die ständige Nutzung verändert, wie wir denken, fühlen und uns konzentrieren«, warnte Marion Kindle-Kühnis (DpL) in ihrer Einführungsrede. Sie verwies auf deutsche Erhebungen, wonach Kinder, die ihr Smartphone während der Schule abschalten, bei PISA-Tests um 19 Punkte besser abschneiden.

Thomas Rehak (DpL) appellierte emotional an die Verantwortung der Politik: «Eine junge Frau von der Jugendsession hat mir geschrieben, ihr wichtigster Punkt sei die mentale Gesundheit. Das macht mich traurig.» Er betonte, dass viele Eltern im Umgang mit Smartphones überfordert seien und eine einheitliche Schulregelung auch Familien entlasten würde.

Unterstützte wurde das Anliegen Carmen Heeb-Kindle (VU). Sie untermauerte dies mit internationalen Beispielen. In Finnland dürften Smartphones seit August 2024 nur noch mit ausdrücklicher Genehmigung der Lehrperson genutzt werden. «Über 25 Prozent der Jugendlichen zwischen 10 und 17 Jahren gehen riskant oder krankhaft mit digitalen Medien um«, zitierte sie eine Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf.

Gegner sehen Verantwortung bei Eltern

Die Mehrheit des Landtags folgte jedoch der Argumentation der Kritiker. «Das Problem liegt nicht in der Schule, sondern zu Hause«, stellte Tanja Cissé (VU) klar, die regelmässig Medienkompetenz-Workshops an Schulen durchführt. Von 24 Stunden seien Kinder maximal neun in der Schule. «Die restliche Zeit liegt die Verantwortung bei den Eltern.«

Bettina Petzold-Mähr (FBP) kritisierte die praktische Umsetzbarkeit: «Sollen Schüler täglich durchsucht werden? Was passiert in den Mittagspausen? Welche Konsequenzen gibt es bei Verstössen?» Sie betonte, dass alle liechtensteinischen Schulen bereits Regelungen hätten. «Nennen Sie mir eine Schule ohne Regeln. Ich kenne keine.«

Besonders deutlich äusserte sich Franziska Hoop (FBP): «Dieses Postulat ist nicht nur unausgereift, es ist schlichtweg weltfremd.» Smartphones gehörten zur Lebensrealität des 21. Jahrhunderts. «Aufgabe der Schule ist es, Kinder stark zu machen, nicht Probleme unter den Teppich zu kehren.«

Schulleiter verteidigt Autonomie

In seiner Doppelfunktion als Abgeordneter und Schulleiter der Sekundarschule I, legte konkrete Johannes Zimmermann (VU), Zahlen vor: Bei knapp 170 Lernenden seien in sechs Wochen maximal acht Handys eingesammelt worden. «Die Regeln funktionieren.» Er warnte vor Umgehungsstrategien wie Zweit-Handys und betonte, dass Smartphones im Unterricht auch sinnvoll eingesetzt würden – etwa bei Bewerbungsgesprächen für Lehrstellen.

Eine Umfrage unter den Sekundarschulen habe ergeben, dass bis auf eine Abteilung alle ein Verbot ablehnen würden. «Wir müssen den Lernenden einen verantwortungsvollen Umgang lehren, statt Geräte zu verbieten.«

Minister: «Die Schraube ins falsche Brett gedreht»

Bildungsminister Daniel Oehry lehnte das Postulat entschieden ab. Er präsentierte eine umfassende Dokumentation bestehender Regelungen. «Alle Schulen haben funktionierende Regeln«, betonte er und verlas exemplarisch die Hausordnung der Realschule Eschen: Handyverbot von 7:35 bis 16:50 Uhr, ausgenommen die Mittagspause.

Das eigentliche Problem sei gesellschaftlicher Natur und liege im häuslichen Bereich. «Wir schiessen ins Knie, wenn uns der Arm weh tut«, kritisierte Oehry den Lösungsansatz. Ein flächendeckendes Verbot ändere nichts an der zu hohen Bildschirmzeit ausserhalb der Schule.

«Sie haben die Schraube ins falsche Brett gedreht.»

Regierungsrat Daniel Oehry

Der Minister wünsche sich einen «smartphonefreien Unterricht», nicht eine «smartphonefreie Schule». Diesen hätten die Schulen bereits weitgehend umgesetzt.

Smartwatches als Problemfeld

Mehrere Abgeordnete bemängelten, dass das Postulat Smartwatches nicht berücksichtige. Diese seien besonders an Primarschulen problematisch, da sie ebenfalls Fotos und Videos aufnehmen könnten. Carmen Heeb-Kindle berichtete von einem Fall, wo ein Kindergartenkind eine Smartwatch trug und die Mutter wiederholt während des Unterrichts anrief.

Kontroverse um Details

Die Debatte wurde zeitweise hitzig. Simon Schächle (DpL) wehrte sich gegen seiner Meinung nach falsche Zitate. Es kam zu Diskussionen über die Situation am Gymnasium, wobei Thomas Rehak behauptete, dort gebe es keine funktionierende Regelung – was Bildungsminister Risch mit der Vorlage der Hausordnung widerlegte.

Auch die Frage der Partizipation wurde diskutiert. Tanja Cissé verwies auf das Kinder- und Jugendgesetz, wonach Betroffene bei relevanten Themen einbezogen werden müssten. «Regeln, die aufgezwungen sind, funktionieren nie

Mit der klaren Ablehnung des Postulats bleibt es bei der bisherigen Praxis: Jede Schule regelt die Smartphone-Nutzung im Rahmen ihrer Schulautonomie selbst – wobei de facto bereits an allen Schulen ein Verbot während des Unterrichts und meist auch in den Pausen gilt.

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