Am 18. Mai entscheidet die Vaduzer Stimmbevölkerung über einen Finanzierungsbeitrag der Gemeinde für den Umbau des alten Postgebäudes zur neuen Landesbibliothek. Es geht um mehr als nur ein Gebäude – es geht um einen Ort der Begegnung, des Lernens und der kulturellen Teilhabe. Im Gespräch erklärt Pascal Seger, Präsident des Stiftungsrats der Landesbibliothek, weshalb ein neuer Standort notwendig ist, wie es zur Standortwahl kam und warum ein Nein bei der Abstimmung das Ende des Projekts bedeuten würde.
Landesspiegel: Warum braucht es aus Ihrer Sicht ein neues Gebäude für die Landesbibliothek?
Pascal Seger: Die Landesbibliothek befindet sich seit 1968 in einem Provisorium. Zuvor war sie im Städtle, in einem Gebäude, das später abgerissen wurde. Die Idee war immer, dass die Bibliothek wieder ins Zentrum zurückkehrt, da sie dorthin gehört. Über viele Jahre gab es immer wieder Bestrebungen, einen endgültigen Standort zu finden – aus unterschiedlichen Gründen kam es jedoch nie dazu.
2007 wurden dann neue Gespräche zwischen der Landesbibliothek, der Regierung und der Gemeinde Vaduz aufgenommen. Der Hauptgrund, warum die Bibliothek heute ein neues Gebäude braucht, ist ganz simpel: Wir haben keinen Platz mehr. Jedes neue Angebot bedeutet, dass wir andere, teils gut genutzte Bereiche aufgeben müssen. Es ist ein ständiges Abwägen.
Zudem ist das Gebäude am Gerberweg nicht barrierefrei. Im dritten Stockwerk gibt es keinen Lift. Auch die Kinder- und Familienfreundlichkeit lässt zu wünschen übrig – wir haben nur einen kleinen Bereich für die Kinderbibliothek. Dadurch kommt es auch zum „Konflikt“ zwischen bspw. Studenten, die Ruhe suchen, um zu lernen, diese aber aufgrund der anwesenden Kinder nicht finden.
Hinzu kommt, dass ein grosser Teil unseres Buchbestands im Aussenmagazin im Schaanwald gelagert ist. Diese Bücher sind nicht direkt zugänglich. Wenn jemand eines davon ausleihen möchte, müssen wir sie sammeln, mehrmals pro Woche hinfahren und sie abholen – das kostet Zeit und Geld.
Landesspiegel: Was ist denn heute überhaupt eine Bibliothek – was soll sie leisten?
Pascal Seger: Eine moderne Bibliothek ist weit mehr als nur ein Ort für Bücher. Sie ist ein Ort der Begegnung – ein Raum, in dem man sich ohne Konsumzwang aufhalten, austauschen, lernen und gemeinsam denken kann. Genau das möchten wir ermöglichen.
Landesspiegel: Warum wurde das alte Postgebäude in Vaduz als Standort gewählt?
Pascal Seger: Bereits ab 2007 begannen Gespräche über mögliche Standorte – mit Beteiligung von Regierung, Gemeinde Vaduz, später auch Schaan. Es gab mehrere Evaluationen in beiden Gemeinden. 2016 entschied sich die Regierung für Vaduz, am jetzigen Standort.
Daraufhin begann die Projektentwicklung, bei welcher auch die Gemeinde Vaduz involviert war und bis heute ist. 2019 sprach der Landtag den grundsätzlichen Kredit. Damals wurde klar: Es soll ein Umbau des bestehenden Postgebäudes und kein kompletter Neubau werden. Begründet wurde dies mit tieferen Kosten und der deutlich nachhaltigeren Lösung. Dies hat bis heute Bestand.
Landesspiegel: Nun ist das Projekt deutlich teurer geworden. Warum liegt das
Pascal Seger: Das ist eine berechtigte Frage, die sich aus drei Aspekten erklären lässt:
- Indexierung des Kredits: Der ursprüngliche Kredit von 2019 ist indexiert – das heisst, er passt sich automatisch an den Baupreisindex an. Seit 2019 ist dieser um 15 % gestiegen – eine enorme Zahl, die auch beim Vergleich mit einem allfälligen Neubau einkalkuliert werden muss.
- Nachhaltigkeitsanpassungen: Im Herbst 2023 beschloss der Landtag zusätzliche Mittel in Höhe von 2 Mio. Franken. Grund war insbesondere die vom Landtag gewünschte Erhöhung der Nachhaltigkeitsstandards, die heute für alle Neubauten des Landes gelten. Diese wurden auch in das Bibliotheksprojekt integriert.
- Aktuelle Mehrkosten: Bei den Mehrkosten von 5.43 Mio Franken geht es um bauliche Aspekte. Der Gemeinderat Vaduz hat entschieden, einen Unterstützungsbeitrag in dieser Höhe zu tragen. Insbesondere auch um damit sicherzustellen, dass der Standort der Bibliothek in Vaduz bleibt. Zusätzlich haben private Stiftungen und Familien bereits 1.45 Mio. Franken zugesichert.
Landesspiegel: Was passiert, wenn die Bevölkerung von Vaduz am 18. Mai Nein sagt?
Pascal Seger: Dann wäre das Projekt gescheitert. Eine weitere Projektanpassung ist nicht möglich, da der Landtag 2019 einen Kredit mit einem klaren Raum- und Nutzungskonzept beschlossen hat. Diese Eckpfeiler dürfen nicht verändert werden. Eine sogenannte „abgespeckte Version“ wäre nicht zulässig.
Landesspiegel: Wer steht hinter dem Ja-Komitee?
Pascal Seger: Das Ja-Komitee hat sich breit aus der Vaduzer Bevölkerung gebildet. Viele Menschen haben sich aktiv bei uns gemeldet, andere haben wir gezielt angesprochen. Daraus entstand eine engagierte Unterstützergruppe – von Kindern, die regelmässig in die Bibliothek kommen, bis hin zu Senioren. So bildet sich eine breite gesellschaftliche Unterstützung ab, die das Projekt als wichtig für Vaduz empfindet.