Der Interregionale Gewerkschaftsrat (IGR) Bodensee schlägt Alarm. Die Arbeitsbedingungen in der 24-Stunden-Pflege sind menschenunwürdig. Betreuungskräfte aus Osteuropa arbeiten oft 21 Tage ohne Unterbrechung, rund um die Uhr in fremden Haushalten. Die Gewerkschaften fordern heute bei einer gemeinsamen Pressekonferenz Reformen.
Die 24-Stunden-Betreuung nahm in Liechtenstein seit Einführung des Betreuungs- und Pflegegeldes 2010 markant zu. Pflegebedürftige erhalten je nach Stufe bis zu 5.000 Franken monatlich. Mit diesem Geld bezahlen sie externe Betreuungskräfte, die vorwiegend aus Tschechien, der Slowakei, Polen und Slowenien stammen.
Die Realität hinter verschlossenen Türen sieht düster aus. Die meist weiblichen Betreuungskräfte arbeiten bis zu 13 Stunden täglich ohne freien Tag. Sie leisten Alltagshilfe, erledigen Körperpflege, Haushalt und Einkäufe. Obwohl sie faktisch rund um die Uhr bereitstehen, weisen Agenturen sie offiziell als Teilzeitkräfte aus. Dies führt zu gravierenden Nachteilen bei Lohn, Krankheitsfall und Sozialversicherungen.
Sigi Langenbahn vom Liechtensteinischen ArbeitnehmerInnenverband kritisiert die rechtlichen Schlupflöcher: «Agenturen organisieren die Betreuungskräfte, erstellen Lohnabrechnungen und Arbeitsverträge, fungieren aber nicht als Arbeitgeber. Der Vertrag wird vom Pflegebedürftigen oder dessen Angehörigen unterschrieben. So umgehen sie gesetzliche Verpflichtungen.«
Die Gewerkschaften beklagen fehlende Kontrollmöglichkeiten. Man komme kaum an die Frauen heran. Sie blieben praktisch unsichtbar. Erkrankt eine Betreuerin, schickt man sie nach Hause und ersetzt sie umgehend. Bei längerer Krankheit droht die Kündigung.
Die Bedingungen zeigen sich auch im Alltag der Betreuerinnen. Manche können sich kaum Essen leisten, weil sie von ihrem geringen Lohn noch Vermittlungsgebühren abzahlen müssen. Der IGR Bodensee fordert daher erneut verbindliche Mindestlöhne, die volle arbeits- und sozialrechtliche Absicherung der Betreuungskräfte sowie strengere Kontrollen und Sanktionen gegen Agenturen, die wiederholt gegen Vorschriften verstossen.