Am vergangenen Wochenende hat Liechtenstein einen neuen Landtag gewählt. Rund ein Drittel der erwachsenen Bevölkerung in Liechtenstein konnte nicht daran teilnehmen, weil sie kein Stimm- und Wahlrecht besitzen. Der Verein Vielfalt in der Politik (ViP) und der Verein für Menschenrechte in Liechtenstein (VMR) haben in einem gemeinsamen Projekt eineinhalb Jahre lang untersucht, wie man die politische Partizipation von Ausländern verstärken kann.
Andrea Hoch vom Verein ViP und Christian Blank vom VMR stellten heute bei einer Medienkonferenz die Erkenntnisse und Empfehlungen vor, die sich an Land, Gemeinden und die Politik richten. «Etwa 30 Prozent der erwachsenen Wohnbevölkerung Liechtensteins kann nicht wählen oder abstimmen, obwohl viele von ihnen schon Jahre oder Jahrzehnte im Land leben und mit ihren Steuern und Arbeitsleistungen zur Wirtschaftskraft beitragen», erklärte Blank einleitend.
Demokratisches Defizit und Fachkräftemangel in der Politik
Die Initiatoren verwiesen auf ein konkretes Beispiel: Bei der Abstimmung zum Neubau des Landesspitals im vergangenen Jahr habe effektiv nur etwas mehr als ein Drittel der Gesamtbevölkerung an der Abstimmung teilgenommen. Ein wesentlicher Grund dafür sei der Ausschluss von etwa 30 Prozent der erwachsenen Wohnbevölkerung vom Wahlrecht.
Zudem wurde bei der Medienkonferenz auf den «Personalmangel in der Politik» hingewiesen. Für die Parteien im Land werde es schwieriger, Kandidaten für politische Ämter zu finden.
«30% der Erwachsenenbevölkerung ausgeschlossen sind von dieser Suche.«
Christian Blank
Viele Ausländer die im Land lebten, hätten grosses intresse, sich in den politischen Prozess einzubringen, doch sie können, selbst wenn sie möchten, gar nicht als Kandidaten zur Verfügung stehen.
Hohe Hürden für politische Teilhabe
Andrea Hoch präsentierte die zentralen Erkenntnisse des Projekts. Liechtenstein kennt im Gegensatz zu vielen anderen Ländern kein besonderes Stimm- und Wahlrecht für Ausländer. Während in der EU ein kommunales Wahlrecht für EU-Bürger selbstverständlich sei und in der Schweiz bereits über 600 Gemeinden das kommunale Stimm- und Wahlrecht für Ausländer eingeführt hätten, bestehe in Liechtenstein eine doppelte Hürde: eine restriktive Einbürgerungsgesetzgebung ohne Möglichkeit der doppelten Staatsbürgerschaft einerseits und das Fehlen alternativer Partizipationsmöglichkeiten andererseits.
Breite Diskussionen und deutliches Interesse der Betroffenen
Das Projektteam führte Diskussionsrunden mit Fachpersonen, politischen Parteien und Betroffenen durch. Besonders am Integrationsdialog der Regierung zeigte sich ein grosses Interesse der ausländischen Bevölkerung an politischer Mitbestimmung. «Die Betroffenen empfinden das jetzige System als ungerecht und unfair. Sie schilderten Ohnmachtsgefühle, von der Zukunftsgestaltung ausgeschlossen zu sein, und das Gefühl, als Einwohner zweiter Klasse wahrgenommen zu werden», berichtete Hoch von den Gesprächen.
Konkrete Empfehlungen
Der Abschlussbericht enthält drei Kategorien von Empfehlungen:
- Besserer Zugang zu Kommissionen und Arbeitsgruppen: Die Organisationen empfehlen eine Sensibilisierung der Gemeinden, Parteien und Ortsgruppen über die bestehenden Möglichkeiten für Ausländer, in Kommissionen mitzuwirken.
- Förderung informeller Beteiligung: Hier geht es um eine inklusivere Ausgestaltung der Gemeindekommissionen und einen Austausch der Gemeinden über bewährte Praktiken bei der Besetzung. Auch öffentliche Ausschreibungen für Kommissionssitze wurden vorgeschlagen.
- Prüfung eines kommunalen Wahlrechts für Ausländer: Diese Option würde eine Gesetzesänderung erfordern, wurde aber insbesondere von den Betroffenen als sehr wichtig eingestuft.
Nicht in die Empfehlungen aufgenommen wurden hingegen Themen wie die doppelte Staatsbürgerschaft, das Wahlrecht für Auslandliechtensteiner oder spezifische Gremien nur für Ausländer.
Trotz Liechtensteins traditioneller Zurückhaltung bei der Öffnung von Rechten für ausländische Staatsbürger zeigten sich die Organisatoren vorsichtig optimistisch. «Wir haben im Gespräch mit allen Parteien das Signal bekommen, dass sie unter gewissen Umständen bereit wären, so etwas zu unterstützen», sagte Blank. Die Unterschiede lägen vor allem in den konkreten Kriterien für eine politische Beteiligung.
1 Ihre Meinung
klar dagegen, nur weil das ausland es so macht muss es ja nicht das richtige sein.