Landesspiegel: Wie sehen Sie die aktuellen Beziehungen zwischen Liechtenstein und den USA? Letzten Wochen gab es einige Besuche vor Regierungsmitgliedern in den USA. Wie schätzen Sie die aktuelle Situation ein?
Dr. Sparber: Aus meiner Sicht sind die Beziehungen zwischen Liechtenstein und den USA ausgezeichnet. Wir haben eine Phase hinter uns, die von intensiver Besuchsdiplomatie geprägt war. In den letzten Monaten und Jahren hatten wir häufig Besuche von Regierungsmitgliedern in Washington sowie eine intensive Zusammenarbeit auf Verwaltungsebene. Am 22. Oktober fand der erste strategische und wirtschaftliche Partnerschaftsdialog statt. Das war für uns ein bedeutender Schritt, der den Austausch mit den USA zu einer breiten Palette von Fragen institutionalisiert. Liechtenstein und die USA sind in den letzten Jahren näher aneinandergerückt.
Landesspiegel: Welche Bereiche sind für Liechtenstein besonders wichtig in den Beziehungen?
Dr. Sparber: Ein zentraler Bereich ist die wirtschaftliche Zusammenarbeit. Liechtenstein hat einen bedeutenden wirtschaftlichen Fussabdruck in den USA, mit mehr als 7‘000 Arbeitsplätzen und einer starken Präsenz unserer Unternehmen. Dabei gibt es auch Themen, die uns betreffen, wie beispielsweise die Rahmenbedingungen für unsere Firmen. Das ist ein Kernthema der Botschaft.
Ein weiteres wichtiges Feld ist die sicherheitspolitische Zusammenarbeit. Wir leben in einem sich schnell verändernden geopolitischen Umfeld mit vielen Krisen, darunter der illegale Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Der Austausch mit den USA zu diesen Themen ist daher von grossem Interesse für uns. Dabei geht es zunehmend auch um Themen wie Desinformation und Cyber-Risiken. Ausserdem arbeiten wir mit den USA in multilateralen Foren wie den Vereinten Nationen und der OSZE sehr gut zusammen.
Landesspiegel: Wie gestaltet sich Ihre Rolle als Botschafter eines kleinen Landes im Vergleich zu einem grösseren Land, bei dem es einfacher ist, Gehör zu finden?
Dr. Sparber: Grössere Länder haben natürlich andere Ressourcen, um sich Gehör zu verschaffen. Dennoch hatten wir in letzter Zeit eine hohe Frequenz von Ministerbesuchen, was uns trotz unserer Grösse ermöglicht hat, unsere Anliegen effektiv zu platzieren.
Landesspiegel: Der Beitritt zum IWF ist ein bedeutender Schritt. Wie beeinflusst das Ihre Arbeit?
Dr. Sparber: Der IWF-Beitritt ist historisch. Liechtenstein tritt nur selten einer neuen Organisation bei. Die wichtigsten Funktionen im IWF für uns sind der Gouverneur und der stellvertretende Gouverneur, vertreten durch den Regierungschef und den Vorsitzenden der Geschäftsleitung der FMA. Die Botschaft spielt eine Rolle, da der IWF in Washington ansässig ist und uns Zugang zu neuen Themen und Expertise bietet. Unser wirtschaftspolitischer Ansatz, der auf Innovationskraft, freien Handel und ausgeglichene Budgets setzt, stösst beim IWF auf Interesse, das haben wir in unserer ersten Woche als Mitglied gemerkt. Zu welchen Themen wir sonst noch Beiträge leisten können, wird sich in der Zukunft zeigen.
Landesspiegel: Die bevorstehenden Wahlen in den USA sind von grosser Bedeutung. Wie verfolgen Sie diese Entwicklungen und welche Auswirkungen haben sie auf Europa und Liechtenstein?
Dr. Sparber: Die Wahlen sind der Haupttermin des Jahres in den USA. Der Wahlkampf hat viele Ressourcen gebunden. Das spitzt sich nun auf den Wahltag zu. Dabei wird nicht nur der Präsident, sondern auch das Repräsentantenhaus und ein Drittel des Senats neu gewählt werden. Hinzu kommen zahlreiche weitere Wahlen in den Bundesstaaten. Ich erwarte, dass sich die Beziehungen zu den USA, unabhängig vom Wahlausgang, weiterhin positiv entwickeln. In der Vergangenheit haben wir mit sowohl demokratischen als auch republikanischen Administrationen gut zusammengearbeitet. Eine offene Frage bleibt, ob sich der Fokus der USA unter einer neuen Administration verlagern könnte, z.B. weg von Europa, mehr in Richtung Asien.
Landesspiegel: Welchen Anteil hat Liechtensteins Finanzsektor noch am Aussenhandel?
Dr. Sparber: Der Finanzbereich macht etwa 20% unserer Wirtschaft aus, wobei die Industrie und Produktion mit über 40% einen grösseren Anteil haben. Innerhalb der USA spielt der Finanzplatz nur eine kleine Rolle; dort sind es vor allem unsere Industrieunternehmen, die Arbeitsplätze schaffen. Wir setzen uns schon seit längerem für ein Doppelbesteuerungsabkommen mit den USA ein. Das zeigt sich jedoch als politisch schwierig, auch weil ein solches Abkommen die Zustimmung des Senats benötigt.
Landesspiegel: Wie nehmen Sie die Zeit der Wahlen diplomatisch wahr?
Dr. Sparber: Der Regierungswechsel bringt immer Veränderungen, da Tausende von Mitarbeitern in der Verwaltung ausgetauscht werden. Das bedeutet für die Botschaften, dass man viele Beziehungen neu aufbauen muss. Trotz dieser Herausforderungen haben wir gute Netzwerke, auf die wir zurückgreifen können. Der Wahlkampf war diesmal sehr polarisierend, aber die demokratischen Institutionen der USA funktionieren. Wir freuen uns darauf, weiterhin gute Beziehungen zu den USA zu pflegen und gemeinsam an wichtigen Themen zu arbeiten.