Das Fürstliche Landgericht verhandelte heute über eine tragische Geschichte einer 85-jährigen Frau, die im Oktober 2023 verstarb. Ihr Sohn musste sich wegen des Vorwurfs des Mordes durch Unterlassen vor dem Kriminalgericht verantworten.
Der Angeklagte war seit April 2023 arbeitslos und hatte erhebliche finanzielle Probleme. Nach seiner Scheidung zog er in die Wohnung zu seiner damals 85-jährigen Mutter. Sie hatte bereits damals gesundheitliche Probleme, die sich mit der Zeit verschlimmerte. Ab Oktober konnte sie das Zimmer nicht mehr verlassen. Am 31.10. war der Angeklagte das letzte Mal bei ihr, und am 4.11. fand er sie tot vor.
Laut Gutachten war die Ursache ein funktionelles Zustandsbild, da die Frau einen BMI von 12 hatte und nur noch Haut und Knochen war. Im Laufe der Verhandlung trug der Sachverständige erheblich zur Aufklärung des Falls bei. Seine Ausführungen beleuchteten die Schwierigkeiten, mit denen selbst Fachleute konfrontiert sind, wenn es darum geht, den exakten Zeitpunkt zu bestimmen, ab dem medizinische Hilfe lebensrettend hätte sein können. «Für Laien gibt es in der medizinischen Fachliteratur keine klaren Anhaltspunkte» Lediglich bei Bewusstlosigkeit, Atemnot oder Kreislaufproblemen, wäre die Notwendigkeit einer sofortigen medizinischen Intervention erkennbar. Jedoch konnte eine solche nicht festgestellt werden.
Der Sachverständige stellte klar, dass aufgrund des funktionellen Zustandsbildes der Verstorbenen, charakterisiert durch einen extrem niedrigen BMI von 12, die Situation bereits als äusserst kritisch zu bewerten war. Jedoch wurde konstatiert, dass selbst ein medizinischer Fachmann Schwierigkeiten gehabt hätte, den exakten Zeitpunkt für das Notwendig werden einer medizinischen Intervention festzulegen.
In den Plädoyers wurde die schwierige Situation thematisiert, und die Staatsanwältin zweifelte daran, warum der Angeklagte seiner Mutter nicht geholfen habe. Der entscheidende Punkt ist, ob ein Eingreifen am 23.10. oder 31.10. den Tod hätte verhindern können. Die Kausalität wird kontrovers diskutiert, und die Überlebenswahrscheinlichkeit kann nicht quantifiziert werden. Letztendlich ergibt sich, dass die Überlebenswahrscheinlichkeit nicht bestimmbar ist.
Die Verteidigerin bestreitet die Kausalität und argumentiert, dass die Ursächlichkeit nur gegeben ist, wenn jeder Zweifel daran ausgeschlossen werden kann, was nicht der Fall sei. Es ist unklar, ob ein Eingreifen des Angeklagten den Tod hätte verhindern können. Die Überlebenschancen liessen sich nicht feststellen, daher beantragt die Verteidigung einen Freispruch.
Das Urteil
Nach einer halben Stunde Beratung wurde der Angeklagte freigesprochen. Die sofortige Entlassung aus der Untersuchungshaft wurde angeordnet.
Der Senat musste sich hauptsächlich mit der objektiven Tatseite auseinandersetzen. Es war klar, dass die Mutter keinen Sterbewillen hatte und die Todesursache das funktionelle Zustandsbild war. Jedoch blieb unklar, zu welchem Zeitpunkt rechtzeitig Hilfe geleistet hätte werden müssen. Selbst für Fachleute war dies schwer einzuschätzen, da es am 31.10. ausgeschlossen war und auch am 23.10. nicht sicher ist.
Bereits 33 bis 47 Tage zuvor, und dies nur bei vollständiger Einstellung der Nahrungsaufnahme, könne der Point of no Return überschritten worden sein. Nur vor diesem Zeitpunkt wäre rechtzeitiges Handeln mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit lebensverlängernd gewesen.
Das wäre Ende September oder noch früher, da es keine vollständige Einstellung der Nahrungsaufnahme gab. Im Juni war die Mutter noch beim Arzt, der auch keine Überwachung des Gewichts empfohlen hatte. Ebenso war sie im Oktober noch bei der Bank. Daher liess sich nicht feststellen, ab wann es für den Angeklagten als Laien erkennbar war, dass unverzüglich Rettung herbeigerufen werden musste. Aus diesem Grund wurde er freigesprochen.
Die Staatsanwältin gab keine Rechtsmittelerklärung ab, das Urteil ist somit noch nicht rechtskräftig.