In einem ausführlichen Interview mit dem Landesspiegel äusserte sich Daniel Oehry, der neue Parteipräsident der Fortschrittlichen Bürgerpartei (FBP) Liechtensteins, zu verschiedenen politischen Themen. Im Gespräch reflektierte Oehry über die dynamischen Veränderungen in der Parteienlandschaft des Landes, die Notwendigkeit, sich an die aktuellen Herausforderungen anzupassen.
Zudem gewährte er Einblicke in seine Sichtweise zu einer möglichen Veränderung in der politischen Struktur Liechtensteins.
Landesspiegel:
In der Rede am Parteitag haben Sie die Notwendigkeit von Veränderungen angesprochen. Wie möchten Sie die FBP in dieser Hinsicht weiterentwickeln?
Daniel Oehry:
Die politische Arbeit hat sich in den letzten Jahren verändert. Sie ist vielleicht etwas anspruchsvoller geworden, insbesondere durch die direkte Konfrontation in sozialen Medien. Politiker brauchen ein dickes Fell. Dennoch ist die Situation in Liechtenstein im Vergleich zu anderen Ländern deutlich besser.
Neue Parteien sind entstanden, und auch die Medienlandschaft hat einen Wandel durchgemacht. Einige Grundsätze, die früher galten, sind immer noch relevant, aber es gibt auch zahlreiche Veränderungen. Als Partei stehen wir vor der Herausforderung, uns immer wieder neu zu erfinden.
Solange es Liechtenstein wirtschaftlich gut geht und das Parlament seine Aufgaben erfolgreich erfüllt, ist die Politik für viele Menschen nicht im Fokus. Man sieht keinen Grund selbst zu kandidieren. Die Wahlen alle zwei Jahre, sei es für den Landtag oder den Gemeinderat, reichen für viele Bürger aus.
Landesspiegel:
Wie kann wird sich die FBP dieser Herausforderungen stellen?
Daniel Oehry:
Die Schlüsselrolle liegt in der Anpassung unserer Kommunikation. Die Etablierung neuer Kommunikationskanäle ist unerlässlich, und daher arbeiten wir derzeit an einer Kommunikationsstrategie. Die digitale Dimension gewinnt dabei immer mehr an Bedeutung, da der Trend weg vom gedruckten Medium hin zur digitalen Welt geht. Diese Entwicklung betrifft nicht nur unsere Partei, sondern alle politischen Strukturen. Daher ist es zwingend erforderlich, sich weiterzuentwickeln.
Mein Ansatz war stets, verschiedene Perspektiven einzunehmen, um ein umfassendes Bild zu erhalten. Dabei geht es darum, zum Wohl der Partei zu handeln.
Die eigentliche Herausforderung besteht darin, den Menschen zu erklären, warum wir diesen Weg gehen müssen, denn nicht jede Entscheidung macht zwangsläufig Spass. Am Ende kann, zum Wohle Liechtensteins, auch ein etwas schmerzhafter Weg der richtige sein.
Landesspiegel:
Veränderungen sind in der heutigen Zeit unvermeidlich. Wir haben bereits über die innerparteilichen Veränderungen gesprochen, aber es stellt sich auch die Frage, ob Liechtenstein insgesamt Veränderungen benötigt, angesichts der globalen Entwicklungen und Herausforderungen?
Daniel Oehry:
Die Frage nach Veränderungen betrifft verschiedene Ebenen. Im Kontext der Optimierung der Prozesse im Landtag, steht unter anderem die Erhöhung der Sitze auf 30 zur Diskussion. Auch wenn ich der Ansicht bin, dass mehr Abgeordnete nicht effizienter sind, ist es wichtig sich dieser und anderer Fragen zu stellen. Dazu kommt auch die Rolle der Parteien.
Früher, vor 30 oder 40 Jahren, hatte eine Partei eine bestimmende Rolle. Mein Neni hat mir gesagt, „Wenn du in der falschen Partei bist, bekommst du keine Arbeit“. Die politische Ausrichtung konnte darüber entscheiden, ob man beruflich erfolgreich war. Heutzutage ist dies zum Glück nicht mehr so.
Landesspiegel:
Es fällt auf, dass der Landtag sich auch mit vermeintlich weniger wichtigen Themen befasst, wie beispielsweise Kinderbasteln während der Budgetberatungen. Besteht nicht manchmal die Notwendigkeit, solche Diskussionen in nichtöffentlichen Kommissionen zu führen?
Daniel Oehry:
In Liechtenstein läuft vieles sehr gut, und das spürt man besonders, wenn Menschen aus dem Ausland kommen. Sie loben die effiziente Verwaltung und die Offenheit der Behörden. Für viele ist der hohe Standard, den Liechtenstein bietet, normal, da sie nicht wissen, dass es anders sein könnte.. Im Vergleich zu anderen Ländern sind wir schlank und effizient aufgestellt, was sich positiv auf die Qualität des Staatswesens auswirkt.
Wir haben bereits verschiedene Kommissionen, wie die Finanzkommission und die aussenpolitische Kommission, die analog er Schweiz Geschäfte vorberaten. In diese Gremien werden bereits Themen wie Budget oder Gesetzesanpassungen beraten. Jedoch führt ein Beschluss dieser nicht automatisch dazu, dass der Landtag zustimmt und die Angelegenheit als bereits erledigt betrachtet. Die Finanzkommission beispielsweise prüft und diskutiert das Budget und gibt dann eine Empfehlung ab, aber der Landtag behält die Finanzkompetenz letztendlich in seinen Händen und muss final entscheiden.
Der heutige Charme des Systems besteht darin, dass Landtagsabgeordnete nicht ausschliesslich 100%ige Politiker sind. Viele von ihnen haben beispielsweise einen 80%-Job bei Unternehmen. Dies ermöglicht es, eine Verbindung zu einem anderen Bereich zu haben und nicht vollständig von der Politik losgelöst zu sein. Diese Verbindung hilft, die Bodenhaftung zu bewahren. Das Milizsystem, in dem Politiker neben ihrer politischen Tätigkeit auch anderen Berufen nachgehen, wird als wichtig erachtet. Wenn man ausschliesslich ein Vollzeitpolitiker wäre, würde etwas Wesentliches fehlen und dies könnte die Bodenhaftung verlieren. Dieses Milizsystem bedingt tollerante Arbeitgeber, denn sonst kommt ein Abgeordneter aufgrund der Komplexität und des Umfangs der Dossiers, die bearbeitet werden müssen, an Grenzen.
Landesspiegel:
Gibt es konkret etwas, dass man an der Arbeit des Landtags verändern könnte?
Daniel Oehry:
Es ist für mich wichtig, dass sich der Landtag auf seine Aufgaben konzentriert. Der Landtag ist ein Gremium, wo Gesetze entwickelt, Beschlüsse getroffen, wo der Regierung Aufträge erteilt werden und wo der Regierung Fragen zur Umsetzung und weiterer Schritte gestellt werden.
Der Landtag ist jedoch kein Raumplanungsbüro, wo Radwege gezeichnet werden und im Detail entschieden wird, wo die durchgehen sollten.
Landesspiegel:
Beim Parteitag hat Regierungsrat Manuel Frick dem Koalitionspartner vorgeworfen, dass die VU gelegentlich eine Art Co-Opposition betreibe. Wie siehst du das?
Daniel Oehry:
Es ist offensichtlich, dass in einer Fünfer-Regierung mit drei VU-Regierungsräten und zwei FBP-Regierungsräten eine Dreiermehrheit benötigt wird, um Entscheidungen zu treffen. Wenn drei Mitglieder entscheiden, ein bestimmtes Geschäft zu blockieren, dann wird der Landtag dieses nie sehen. Die Regierung Risch hat in der Regierung die Mehrheit und weil nicht allen klar ist, dass ein Regierungsrat nicht von sich aus einen Budgetantrag einbringen kann, musste dies wieder einmal erwähnt werden.
Landesspiegel:
Ist eine andere Koalition überhaupt denkbar?
Daniel Oehry:
Grundsätzlich ist alles denkbar. Man sollte immer offen sein. Nach den Wahlen 2025 kann man darüber nachdenken, welche Konstellationen Sinn ergeben. Es ist wichtig, keine festen Positionen im Voraus einzunehmen, da verschiedene Elemente Sinn ergeben können. Die Beurteilung sollte nach den Wahlen erfolgen, wenn klar ist, wie die Verhältnisse sind. Die Entscheidung darüber, was Sinn macht oder nicht, sollte auf Basis des Wählerwillens und der Ergebnisse getroffen werden. Im Moment im Vorfeld zu sagen, was die Traumkonstellation wäre, wäre verfrüht.
Landesspiegel:
Zum Thema Wählerwillen drängt sich auch die Frage zur Direktwahl der Regierung auf. Wie stehen Sie dazu?
Daniel Oehry:
Was auf den ersten Blick als erstrebenswert daher kommt, für bei genauer Betrachtung zum Gegenteil. Für mich ergibt es ganz klar keinen Sinn. Es ist ein Experiment, welches keinen Sinn macht. Warum sollen wir das bestehende System, sprich die Verfassung verändern, basierend auf einer nicht ausgereiften Idee? Viele Elemente dieser Idee sind überhaupt nicht durchdacht!
Aus meiner Perspektive würde eine Direktwahl die Stellung des Parlaments erheblich schwächen. Wenn die gesamte Bevölkerung den Regierungschef direkt wählen könnte, hätte dieser viel mehr Macht. Ein neu gewählter Landtagsabgeordneter würde kaum sagen, «Liebes Volk, vielen Dank für eure Entscheidung, aber diesen Regierungschef unterstütze ich nicht.» Das würde zu Neuwahlen führen und darum wäre dieser Schritt obsolet. Der landesweit gewählte Regierungschef könnte mit einer Legitimation des gesamten Landes Ideen ins Parlament einbringen und sagen: «Liebes Parlament, ich bin vom gesamten Land gewählt und nun würde ich mir gut überlegen, ob ihr Nein sagt.»
Das würde den Landtag massiv in seiner Rolle schwächen, und auch das Fürstenhaus würde geschwächt. Der Regierungschef würde mit einer Macht ausgestattet, die ich für nicht angemessen halte. Ich plädiere für ein Gleichgewicht, das sich in den letzten Jahren bewährt hat. Die bisherige Staatsform hat sich über viele Jahre bewährt. Daher halte ich es nicht für richtig, an der Verfassung zu schrauben, insbesondere ohne einen logischen Grund.
Die Argumentation, dass im Hintergrund irgendwelche Leute im stillen Kämmerlein die Regierung besetzen, ist nicht überzeugend. In der FBP muss jeder Kandidat für ein Regierungsamt vom Landesvorstand und einem Parteitag mit mehreren hundert Mitgliedern abgesegnet werden.
Jeder Wähler ist sich bewusst, dass die Unterstützung einer Partei auch eine indirekte Unterstützung der von dieser Partei nominierten Regierungsmitglieder bedeutet. Angesichts der bewährten Konstellationen der letzten Jahre in Liechtenstein gibt es keinen Grund für ein solches Experiment. Bei genauerer Betrachtung ist es weniger durchdacht, als es auf den ersten Blick erscheinen mag.
Landesspiegel:
In den meisten Ländern in Europa ist der höchste Amtsträger einer Partei fast automatisch Parteipräsident. Liechtenstein und die Schweiz haben eine andere Tradition. Welche Vorteile hat dieses Modell?
Daniel Oehry:
Es gibt verschiedene Rollen und Aufgaben – Fraktionssprecher, Parteipräsident, Landtagsmitglied –, und theoretisch könnte beispielsweise Sabine Monauni, als Vizeregierungschefin, auch die Rolle der Parteipräsidentin übernehmen. Durch die Trennung dieser Funktionen sehe ich jedoch den Vorteil, dass man verschiedene Perspektiven hat und nicht alles in einer Person gebündelt ist. Das halte ich für vorteilhaft, insbesondere wenn es zu Krankheitsfällen oder Ausfällen kommt. Darum haben wir auch für die FBP als Wunschmodell eine Trennung zwischen Generalsekretär und Parteipräsident vorgesehen.
Landesspiegel:
Durch diese Trennung würdest du sagen, schliessen Sie sich selbst von einem möglichen Regierungsamt nach der Landtagswahl aus?
Daniel Oehry:
Ja, das schliesse ich aus und um es vorweg zu nehmen. Bis Ende November müssen alle Fraktionsmitglieder bekanntgeben, ob sie erneut kandidieren oder nicht und darum habe auch ich meine Entscheidung getroffen. Wann und in welcher Form wir dies Kommunizieren werden wir im Präsidium entscheiden und darum bitte ich um Verständnis, dass dies noch nicht bekanntgeben wird. Die Vorbereitung der Landtagswahl beginnt im Dezember mit der Bestellung des Wahlausschusses und alles andere folgt 2024.
Für mich ist jedoch klar, dass ich als Parteipräsident derzeit nicht für ein Regierungsamt zur Verfügung stehe. Das hängt natürlich auch mit anderen Überlegungen und meinem Arbeitgeber zusammen. Der Job bei Hilti macht mir sehr viel Spass. Darum schliesse ich derzeit eine Kandidatur für ein Regierungsamt aus.
Auch wenn ich Respekt vor der Aufgabe Parteipräsident habe, freue ich mich auf die nächsten Monate, denn den die Weiterentwicklung der Partei ist mir sehr wichtig. Aber am meisten freue ich mich auf die Zusammenarbeit mit allen FBP-Gremien.