Im Rathaussaal von Vaduz fand heute die Veranstaltung «Zeit für Liechtenstein» statt, bei der das drängende Thema «Mit welchen Massnahmen lösen wir unsere Verkehrsprobleme?» im Mittelpunkt stand. Die von der VU organisierte Veranstaltung war offen für Vertreter anderer Parteien und stiess auf reges Interesse aus verschiedenen politischen Lagern. In ihrer Begrüssungsrede betonte VU-Vizepräsidentin Dagmar Bühler-Nigsch, dass die Diskussion um den Verkehr in Liechtenstein wiederbelebt werden müsse, da sie in letzter Zeit etwas eingeschlafen sei.
Die Diskussion startete mit einem Impulsreferat von Regierungsrätin Graziella Marok-Wachter, der Ministerin für Infrastruktur und Justiz. Sie wies darauf hin, dass der Strassenbau in einem kleinen Land wie Liechtenstein nicht immer einfach sei. Jedes Verkehrsprojekt erfordere einen Verpflichtungskredit, der die Zustimmung des Landtags und möglicherweise auch des Volkes in einem Referendum benötige.
Marok-Wachter betonte, dass Liechtenstein nur über eine begrenzte Siedlungsfläche verfüge, und jedes Verkehrsprojekt, einschliesslich Tunnel, benötige zusätzliche Fläche. Die Erhaltung von Wäldern und Wiesen sei für die Bürger von grosser Bedeutung. Zudem sei Liechtenstein nicht von einem einzigen Tal mit einer Hauptverkehrsroute durchzogen, was bei der Planung von Umgehungsstrassen berücksichtigt werden müsse.
In Bezug auf die Mobilität der Zukunft erörterte sie die Herausforderung, das Verhalten der Menschen zu beeinflussen, sei es durch Gebote, Verbote oder Anreize. Sie betonte jedoch, dass solche Massnahmen politische Zustimmung benötigen würden. Als Beispiele nannte sie die Erhöhung der Fahrzeugsteuern oder Regelungen für Parkplätze. Sie hob hervor, dass es darum gehe, das Auto weniger attraktiv zu machen.
Eine besondere Herausforderung für die Regierung sei es, die Bürger von den Verkehrspolitik-Massnahmen zu überzeugen, da nicht alle gleichermassen betroffen seien. Die Interessen könnten je nach Wohnort stark variieren. Die Regierung arbeite daher an einem umfassenden Verkehrskonzept, das konkrete Massnahmen vorsieht.
Johannes Hasler, Vorsteher der Gemeinde Gamprin-Bendern, unterstrich die Bedeutung langfristiger Planung in der Verkehrsplanung und die Notwendigkeit, Arbeitsplätze der Zukunft in den Blick zu nehmen.
Georg Sele, Präsident des Verkehrs-Club Liechtenstein, betonte, dass es nicht ausreiche, das Verhalten der Menschen zu beeinflussen, sondern Verhaltensänderungen erforderlich seien. Er schlug vor, verpflichtende betriebliche Mobilitätsmanagement-Programme einzuführen, um Menschen zum Umstieg auf den öffentlichen Verkehr zu bewegen.
Georg Sele fügte hinzu, dass es auch wichtig sei, den Gesundheitsaspekt in der Verkehrspolitik zu berücksichtigen. Er unterstrich: «Etwa ein Drittel der vorzeitigen Todesfälle in unserer Gesellschaft werden durch Bewegungsmangel verursacht, was sechsmal mehr Todesfälle sind als durch Abgase. Studien zeigen auch, dass Menschen, die mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren, im Durchschnitt etwa zwei Tage weniger pro Jahr krank sind.» Damit verdeutlichte er die positiven Auswirkungen einer aktiven und gesunden Lebensweise, die durch die Förderung umweltfreundlicher Verkehrsmittel wie dem Fahrrad unterstützt werden könnten.
Karlheinz Ospelt, Präsident des Vereins MOVE-LI, kritisierte, dass in den letzten Jahrzehnten wenig getan wurde, um die Verkehrsprobleme in Liechtenstein zu lösen. Er betonte die Notwendigkeit von Busausbau, Radwegen und Strassenentwicklung. Trotz vieler Konzepte seit 1993 sei bisher wenig umgesetzt worden.
Die Mähr vom neu induzierten Verkehr
Wie der versuch ein Totes Pferd zu reiten, wurde von manchen Protagonisten wieder das Argument vom neu induzierten Verkehrs bemüht. Demnach soll der Ausbau von Strassen angeblich noch mehr Verkehr anziehen. Ospelt argumentierte, dass trotz Massnahmen wie Tempolimits und Verkehrsinseln in den letzten Jahren der Verkehr nicht abgenommen, sondern zugenommen habe.
Der Verkehr sei kein Selbstzweck, sondern für die Wirtschaft unerlässlich und die Erreichbarkeit von Arbeitsplätzen in Liechtenstein müsse erhalten bleiben. Er wies auf die Tatsache hin, dass viele Pendler aufgrund von Entfernungen und Zeitbegrenzungen nicht auf den öffentlichen Verkehr umsteigen könnten. Dann könnten aus seiner Sicht noch mehr Fachkräfte fehlen.
Er wies auf die auch auf neuralgischer Verkehrspunkte hin und betonte: «Es gibt hier einfach neuralgische Punkte, an denen ein einzelner Radfahrer ohne Pedelec die Herrengasse hinauffahren und einen erheblichen Stau verursachen kann. In solchen Momenten könnten die hunderten Millionen Franken, die wir in die Straßeninfrastruktur investiert haben, umsonst gewesen sein.» Damit verdeutlichte er die Herausforderungen im Umgang mit Verkehr und betonte die Notwendigkeit einer ausgewogenen Verkehrspolitik, die sowohl die Bedürfnisse der Wirtschaft als auch die Mobilität der Bürger berücksichtigt.
Abschliessend äusserte sich Regierungsrätin Graziella Marok-Wachter zur Frage nach kostenlosen öffentlichen Verkehrsmitteln. Sie verwies auf die Situation in Deutschland und Österreich, wo die Grünen in der Regierung seien und eine solche Massnahme nicht auf dem Programm stehe. Sie betonte, dass Mobilität einen Preis haben solle und dass Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur unerlässlich seien.
In der Fragerunde wurde die Idee, den öffentlichen Verkehr kostenlos zu machen, von mehreren Teilnehmern vorgeschlagen, insbesondere für Jugendliche und Senioren. Ein Zuhörer, Franz Schädler, kündigte an, eine Initiative in diese Richtung zu starten, wenn bis zum Frühjahr keine entsprechenden Massnahmen ergriffen würden.
Regierungsrätin Graziella Marok-Wachter antwortete auf die Frage nach kostenlosen öffentlichen Verkehrsmitteln mit einem Blick auf die Situation in Deutschland und Österreich: «Schauen Sie nach Deutschland, dort sind die Grünen in der Regierung, und auch in Österreich sind die Grünen in der Regierung. In beiden Ländern steht nichts derartiges auf dem Programm. Vielmehr sind diese der Meinung, dass Mobilität einen Preis haben soll. Und wenn Ministerin Gewesler der Meinung wäre, dass kostenlose ÖV-Tickets etwas zur Lösung beitragen würden, würde sie das wohl umsetzen.» Damit betonte sie die unterschiedlichen politischen Ansichten und Prioritäten in Bezug auf die Finanzierung des öffentlichen Verkehrs und unterstrich die Komplexität der Debatte über Verkehrslösungen in Liechtenstein.
Die Veranstaltung «Zeit für Liechtenstein» hat deutlich gemacht, dass die Verkehrsprobleme des Landes komplexe Herausforderungen darstellen, die eine breite Diskussion und umfassende Lösungsansätze erfordern. Die Zukunft des Verkehrs in Liechtenstein wird weiterhin ein zentrales Thema der politischen Agenda sein.