Lieferengpässe, Migration und Klimawandel – sie alle hängen mit der Globalisierung unserer Wirtschaft zusammen. Doch brauchen wir eine Deglobalisierung, um unsere Welt zu retten? Darüber diskutierten Andreas Schnauder, Chefredakteur des Magazins, die renommierte Philosophin Katja Gentinetta sowie Rainer Münz, Gastprofessor an der Central European University.
Eindrucksvoll erläuterten die Experten, welche Auswirkungen es hätte, wenn Europa seine globale Integration zurückfahren sollte und welche Konsequenzen dies haben könnte. Einleitend wies Andreas Schnauder auf die aktuellen Herausforderungen hin, die sich aus der Corona-Krise und dem Ukraine-Konflikt ergeben haben. Dies führte zu Engpässen bei wichtigen Ressourcen wie Medikamenten, Chips, Autos und Batterien.
In der politischen Diskussionen ist es oft schwer, legitime Argumente von protektionistischen Argumenten zu unterscheiden. Viele Länder, einschliesslich der meisten EU-Staaten, haben Mechanismen zur Überprüfung ausländischer Investitionen in strategischen Bereichen, Dies kann dazu führen, dass Investitionen aufgrund von Sicherheitsbedenken eingeschränkt werden, selbst wenn sie ursprünglich in andere Branchen fallen.
Ein konkretes Beispiel wird erwähnt: «Ein österreichisches Unternehmen, das Zahnbürsten für Kinder herstellte, wurde aufgrund seiner Übernahme durch ein Unternehmen im Bereich der Mundpflege auf Sicherheitsbedenken überprüft. Dies zeigt, wie leicht es sein kann, strategische Interessen in die Bewertung von Investitionen einzubeziehen.»
Es gibt auch bereits seit langem ähnliche Praktiken in Europa im Bereich der Lebensmittelsicherheit und der Landwirtschaftspolitik bei denen strategische Interessen oft mit legitimen Sicherheitsbedenken vermischt werden.
Katja Gentinetta betonte, dass es wichtig sei, die möglichen Konsequenzen einer Deglobalisierung zu verstehen. Sie erklärte, dass es bereits eine Verlangsamung der Globalisierung gebe, die politisch motiviert sei und mit wirtschaftlichen Vorteilen einhergehe. Dennoch hob sie hervor, dass der Handel insgesamt den Wohlstand steigere, auch wenn es Verlierer gebe.
Rainer Münz ergänzte, dass es schwierig sei, legitime Argumente von protektionistischen Argumenten zu unterscheiden. Er betonte die Bedeutung von Diversifizierung in Lieferketten und wies darauf hin, dass Europa aufgrund seiner Abhängigkeit von bestimmten Märkten und Lieferanten anfällig sei.
Handelsabkommen sind wichtig um die soziale und Umweltstandards zu steigern. Denn Europa sei so ein wichtiger Handelspartner, auf den viele Länder nicht verzichten können. Dann würden sie unsere Umweltstandard einhalten. Dies könnte auch dazu beitragen, den Wohlstand in diesen Ländern zu steigern und gleichzeitig nachhaltiger zu werden. Es wurde festgestellt, dass die Herstellung von Handelsbeziehungen zu einigen Regionen, wie Afrika, aufgrund von Investitionsklima und Infrastrukturmängeln eine Herausforderung darstellt.
Ist Klimawandel möglich ohne Deglobalisierung?
Ich bringe dann die Frage in die Diskussion ein, ob bestimmte Produkte vermehrt in Europa zu produzieren werden müssen, um den CO2-Fussabdruck zu reduzieren. Technische Geräte, die in China hergestellt und nach Europa verschifft werden, verursachen mehr CO2, als wenn sie in Europa produziert würden. Gleiches gilt für ein Steaks aus Argentinien, die eine höhere CO2-Emission verursachen, wenn sie importiert werden.
In dieser Hinsicht betonte Rainer Münz, dass der Transport von Waren hauptsächlich auf dem Seeweg erfolge und daher weniger CO2-Emissionen verursache. Darüber hinaus wies er darauf hin, dass selbst wenn man ein Schaf in einem Land wie Liechtenstein züchten würde, immer noch die Frage des Futters aufkommt. Da Liechtenstein nicht genügend Futter produzieren könne, müsse es aus Südamerika importiert werden, was wiederum zu CO2-Emissionen führe.
Persönliches Fazit
Die Diskussion über Globalisierung und ihre Auswirkungen zeigt, dass dieses Thema komplex und nuanciert betrachtet werden muss. Es ist wichtig zu erkennen, dass die Globalisierung viele Vorteile mit sich bringt, darunter wirtschaftliches Wachstum, Zugang zu einer breiteren Palette von Produkten und eine engere Verbindung zwischen Ländern. Gleichzeitig dürfen wir nicht die Herausforderungen und potenziellen Nachteile übersehen, insbesondere für diejenigen, die weniger von der Globalisierung profitiert haben.
Die Idee, bestimmte Produkte verstärkt in Europa zu produzieren, zu reduzieren oder lokale Wirtschaften zu stärken, sollte nicht als reiner Protektionismus abgetan werden. Es ist eine pragmatische Überlegung, die die gesamte Lieferkette und Umweltauswirkungen, Resilienz unserer Wirtschaft und auch den sozialen Frieden berücksichtigt.
Darüber hinaus ist es wichtig, in der Diskussion über die Auswirkungen der Globalisierung auf diejenigen, die als «Looser» betrachtet werden, sensibel und respektvoll zu sein. Wenn man mit solchen Diktionen arbeitet, darf man sich nicht wundern, dass diese Looser irgendwann zu extremen politischen Bewegungen zulaufen.
Daher sollten wir eine ausgewogene Perspektive einnehmen und nach Lösungen suchen, die sowohl die Vorteile der Globalisierung nutzen als auch die Bedenken derjenigen ernst nehmen, die davon weniger profitiert haben.