Heute wurde vor dem Fürstlichen Landgericht eine Verhandlung fortgesetzt, die am 23. Mai vertagt worden war. Um die Einvernahme von vier Zeugen durchzuführen, die den Angeklagten entlasten sollten.
Der Vorfall, der die Grundlage der Anklage bildete, ereignete sich Ende Januar an einem Bankautomaten, der zu einer Bank in Vaduz gehört. Der Angeklagte fand einen Umschlag mit EUR 450, den jemand offensichtlich vergessen hatte. Anstatt das Geld sofort bei der nahegelegenen Bank abzugeben, nahm er den Umschlag mit und legte ihn in sein Handschuhfach. Die Staatsanwaltschaft legte ihm daraufhin Diebstahl zur Last.
Die ersten Zeugen, die einvernommen wurden, waren die Ehefrau und die Kinder des Angeklagten. Die Ehefrau berichtete, dass ihr Mann ihr telefonisch von dem Fund berichtet habe, jedoch aufgrund eines Akupunkturtermins den Umschlag nicht sofort abgeben konnte.
Auch der Tochter und dem Sohn des Angeklagten erzählte er von dem Fund, und eine Bekannte erfuhr ebenfalls davon. Sowohl die Tochter als auch die Bekannte bestätigten, dass der Angeklagte ausdrücklich seine Absicht geäußert habe, das Geld zurückzugeben. Der Sohn war sich nicht vollkommen sicher, und die vierte Zeugin konnte keine näheren Angaben machen.
Schlussendlich gab der Angeklagte den Umschlag bei der Bank ab, allerdings waren nur noch 350 Euro darin enthalten.
In seinem Schlusswort erklärte der Angeklagte, dass er es bedauere, nicht nur zehn Minuten investiert zu haben, um den Umschlag sofort zurückzugeben. Das sein ein Fehler gewesen. Er habe das Geld niemals behalten wollen.
Urteil: Freispruch
Am Ende sprach der Landrichter den Angeklagten frei. In der Urteilsbegründung führte er aus, dass erhebliche Zweifel an der subjektiven Tatseite, also dem Vorsatz, bleiben. Die tatsächlichen Absichten des Angeklagten in Bezug auf das Geld blieben unklar. Es sei nicht nachvollziehbar, dass jemand, der das Geld behalten wolle, es so vielen Personen erzähle. Auch die im Raum stehende Variante, dass der Angeklagte dem vermeintlichen Eigentümer möglicherweise einen Denkzettel habe verpassen wollen und das Geld später zurückgeben wollte, sei nicht auszuschliessen. Dies sei asoziales Verhalten, aber eben nicht strafbar.
Zur Höhe des Geldbetrags führte der Richter aus, dass es zwar wahrscheinlicher sei, dass 450 Euro und nicht 350 Euro im Umschlag gewesen seien, aber dies nicht eindeutig feststellbar sei. Der Geschädigte könne sich getäuscht haben. Schließlich habe der Angeklagte den vollen Betrag zurückerstattet.
Der Staatsanwalt war mit dieser Entscheidung nicht einverstanden und meldete umgehend das Rechtsmittel der Berufung an. Das Urteil ist damit nicht rechtskräftig und es bleibt also auf die Entscheidung des Fürstlichen Obergerichts zu warten. Für den Angeklagten gilt die Unschuldsvermutung.
Anmerkung: Juristisch interessant könnte auch noch die Unterscheidung zwischen Diebstahl und Unterschlagung sein. Sowohl der Staatsanwalt als auch der Richter gingen davon aus, dass die Bank Gewahrsam über das Geld hatte. Das mag in der Bankfiliale selbst sicher der Fall sein, ob sich dies auch auf den Bankomaten ums Eck erstreckt, kann man durchaus hinterfragen.